Essen. . Die Bilanz der Essener Zollfahndung des vergangenen Jahres: 136 Millionen Schmuggelzigaretten, fünf Millionen Kilogramm Kaffee, 57,5 Kilogramm Heroin, 173,2 Kilogramm Kokain, 106.000 gefälschte Marken-Artikel. Der zunehmende Schmuggel von Dopingmitteln ist ein besonders ungesunder Trend.

Es gab Zeiten, da war der Unterschied zwischen Muskelmasse und -messe allenfalls ein kleiner Buchstabe: Auf der „Fibo“ an der Norbertstraße schwoll die Brust und wuchs der Bizeps, während sich der Handel mit illegalen Aufbaustoffen auswuchs. Regelmäßig waren die Zollfahnder von der Weiglestraße und die Amtsapothekerin der Stadt gemeinsam auf der Suche nach verbotenen Substanzen in so genannten Nahrungsergänzungsmitteln, die den Messe-Besuchern einiges angedeihen lassen sollten.

Fündig wurden die Behörden immer wieder, die Händler allerdings auch zunehmend vorsichtiger, und in dem Maße, in dem sich die reine Mucki-Messe mit den Jahren der Vergänglichkeit zu einem eher fidelen Treff der Fitness-Freunde mauserte, schwand das Interesse der Behörden am obligatorischen Messe-Bummel unter Bodybuildern.

Nicht etwa aus einem Mangel an Bewegungsfreunde, sondern weil die illegalen Zusätze auf der Messe für Fitness, Wellness und Gesundheit wohl kein Thema mehr sind, wie Ulrich Schulze die Lage einschätzt: „Die haben das Zeug nicht mehr im Programm“, sagt der Sprecher der Essener Zollfahnder, die sich in diesem Jahr zwischen dem 19. und 21. April allenfalls bei den Ausstellern umsehen werden, „wenn wir konkrete Hinweise haben“. Die gebe es bislang aber nicht.

Ein besonders ungesunder Trend

Steroide, Hormone, Anabolika und Konsorten mögen aus den Regalen verschwunden sein, aus den Köpfen und Körpern sind sie es längst nicht. Der zunehmende Schmuggel von Dopingmitteln, die leicht übers Internet zu bestellen, im denkbar besten Fall für den Konsumenten wirkungslos und im schlimmsten tödlich sind, ist ein besonders ungesunder Trend, den Essens Zollfahnder ausmachten: Allein im vergangenen Jahr hat sich die Zahl der entsprechenden Ermittlungsverfahren nahezu verdoppelt. Von 118, die den verbotenen Vertrieb und Schmuggel von Arzneimitteln betrafen, waren 69 die Folge eines illegalen Handels mit Dopingmitteln, die den Markt regelrecht zu überschwemmen scheinen.

Was für Ulrich Schulze einen alarmierenden Rückschluss zulässt: Das Doping ist nicht nur im Breitensport angekommen, es nimmt vielmehr zu. Längst ist es kein Problem mehr von Spitzenathleten allein, sondern ein alltägliches Thema für Freizeitsportler auf der Suche nach dem Höchstleistungskick, die sich in einschlägigen Internetforen über die Wirkung verbotener Substanzen mit unkalkulierbaren Nebenwirkungen austauschen. So als gehöre der Stoff mittlerweile zum Sport wie Wasser trinken und Obst essen.

Inzwischen, so schätzen Experten, ist jeder fünfte Amateur-Athlet gedopt und der Absatz der häufig selbstgepanschten Substanzen mit ungeheuren Gewinnspannen garantiert: Wer Rohstoffe aus dem Ausland für etwa 240 Euro kauft, kann etwa 10.000 Euro damit verdienen, lautet eine Faustformel der Fahnder der deutschlandweit größten Behörde ihrer Art, bei deren 200 Beamten die Fäden der Ermittlungen zwischen Aachen und Emden zusammenlaufen.

51 Millionen Euro Steuerschaden

Es wäre ein kriminell bunter Basar des Verbotenen und ein beeindruckender Querschnitt der Zuständigkeiten der Essener Zollfahndung, würde man die Sicherstellungen allein des vergangenen Jahres auf einen Haufen schütten: 136 Millionen Schmuggelzigaretten, fünf Millionen Kilogramm Kaffee, 57,5 Kilogramm Heroin, 173,2 Kilogramm Kokain, 358.000 Tabletten Ecstasy, 3700 Cannabispflanzen, 5300 Tabletten, die als Medikament deklariert waren, 106.000 gefälschte Marken-Artikel wie Schuhe, Accessoires oder Handtaschen und vieles mehr kamen zusammen.

Tätern auf die Spur zu kommen, ist eine Übung, sie anschließend auch hinter Gitter bringen zu können, die noch schwierigere. Vor diesem Hintergrund ist es für Ulrich Schulze ein weiteres Indiz für die „erfolgreiche Arbeit der hochmotivierten Beamten im Zollfahndungsamt Essen“, dass die Gerichte für die von den Fahndern überführten Straftäter allein in 2011 Freiheitsstrafen von insgesamt 1500 Jahren und Bußgelder über 650.000 Euro verhängt haben. Eine Summe, die mickrig erscheint gegen den Steuerschaden, den der Essener Zoll insgesamt ermittelte: Im Vergleich zum Vorjahr stieg das Ergebnis von 39 auf 51 Millionen Euro an. Da kann man die Muskeln schon mal spielen lassen.