Essen. Ab 2014 müssen alle Neuntklässler am Gymnasium eine mündliche Englisch-Prüfung machen. Am Gymnasium Werden sammelt man schon jetzt praktische Erfahrungen. Die Schüler werden im Gespräch gefilmt – als Anschauungsmaterial für andere Schulen.

Ab 2014 wird für Neuntklässler an Gymnasien eine mündliche Prüfung im Fach Englisch Pflicht. Dafür fällt eine von vier Klassenarbeiten im Schuljahr weg. Was damit auf Lehrer und Schüler zukommt, konnte man zuletzt am Gymnasium Werden beobachten: Dort zeichnete das NRW-Schulministerium die Prüfungen zur Schau auf Video auf – als Ansichtsmaterial für andere Schulen im Land.

Mit der mündlichen Prüfung, die verpflichtend am Ende der Sekundarstufe I eingeführt wird – an Gesamt-, Real- und Hauptschulen also in Klasse zehn –, will das Land die „mündliche Kompetenz“ der Schüler stärken - und damit auch den Unterricht langfristig verändern.

„Hören und Schreiben sind bei Schülern präsent“, sagt Karsten Brill, Englisch-Lehrer am Werdener Gymnasium. Er erinnert sich an seinen eigenen Kanada-Austausch in Jugendjahren: „Doch wenn man plötzlich sprechen muss, traut man sich erst mal nicht.“

Brill hat ganzseitige Werbe-Anzeigen aus englischsprachigen Zeitschriften genommen, die die Schüler während der Prüfung nun analysieren müssen: Nach einer Vorbereitungszeit von 20 Minuten müssen sie frei vortragen, der Lehrer unterbricht nur in Ausnahmefällen.

„Im Mündlichen fallen Rechtschreibfehler nicht auf“

Also fängt Schülerin Alexandra (15) an und erklärt vor der Kamera die Anzeige, es geht um Hundefutter; der Witz der Werbung: Auf dem Bild sieht man Hunde, die das Futterregal im Supermarkt stürmen, darunter sinngemäß der Satz: „Wild Life can wait“, das wilde Leben in freier Natur kann warten. Die Schülerin beschreibt, worin der Witz liegt, ob die Werbung sie persönlich anspricht – und für wen sie wohl gedacht ist. Dann ist ihre Mitschülerin Chiara (15) an der Reihe, die ebenfalls eine andere, ganzseitige Anzeige in freier Rede vorstellen und analysieren muss.

Nach zehn Minuten folgt Teil der zwei der Prüfung: Beide müssen zu einem Thema sprechen, das ihnen erst jetzt mitgeteilt wird. Die Rollen „pro“ und „contra“ sind fest gelegt; Alexandra und Chiara diskutieren auf Englisch, ob es schlau ist, neben der Schule einen Job zu machen. Nach weiteren zehn Minuten ist alles vorbei.

„Wenn man sich erst mal dran gewöhnt hat, geht es ganz gut“, sagt Chiara nach der Prüfung. Und Alexandra hat ihre Sprachferien auf Jersey in lebhafter Erinnerung: Als sie plötzlich Englisch sprechen musste. Seitdem weiß sie, dass jede praktische Übung Not tut. „Außerdem“, sagt Chiara, „fallen bei mündlichen Prüfungen Rechtschreibfehler nicht auf.“

Sorge vor einer Entwertung des Schriftlichen

Gleichwohl: Sprachlicher Ausdruck, die Verwendung von Fachvokabular, das vorher im Unterricht vorgekommen sein sollte – all das fließt am Ende in die Note ein.

Es gibt auch Kritiker der neuen Vorgaben aus Düsseldorf: Eine mündliche Prüfung, gerade mal 20 Minuten, sei doch niemals so viel Wert wie eine Stunde Klassenarbeit, heißt es. Sogar von der „Entwertung des Schriftlichen“ ist vereinzelt die Rede.

Wie auch immer man den Sachverhalt betrachtet: „Die Organisation von mündlichen Prüfungen ist organisatorisch aufwändiger als eine Klausur“, sagt Lehrer Karsten Brill: Immer nur zwei Schüler dürfen gleichzeitig geprobt werden, der zeitliche Ablauf muss mit der ganzen Schule abgesprochen werden, und es gilt, viel unterschiedliches Material vorzubereiten: Denn wer aus seiner Prüfung kommt, erzählt natürlich seinen Klassenkameraden erst einmal, was gewesen ist.