Essen. Mit einem Tag der offenen Tür an der Lindenallee feiert Radio Essen am Sonntag das 20-jährige Bestehen. Damit ist der Lokalsender deutlich älter geworden, als Kritiker der SPD-Medienpolitik in NRW das Ende der 80er-Jahre vorher gesagt hatten. Statt auf Großveranstaltungen wie das Sommerfest setzt der Sender jetzt auf die Präsenz vor Ort.
Die Einführung des Privatfunks in NRW war heftig umstritten und führte zu einer Struktur, die Kritiker damals als unheilbaren Geburtsfehler bezeichneten. Um den Einfluss der Zeitungsverlage auf das Programm zu beschneiden, wurde im Landesrundfunkgesetzt das Zwei-Säulen-Modell festgeschrieben. Eine Veranstaltergemeinschaft sollte unabhängig agieren von der Betriebsgesellschaft, die das Radioprogramm finanzieren und vermarkten soll.
Alle Kontroversen sportlich genommen
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So waren Konflikte programmiert. Aber: „Das Zwei-Säulen-Modell hat sich bewährt“, sagt im Rückblick Eckart Löser, Vorstandsvorsitzender der Veranstaltergemeinschaft und früherer DGB-Regionalchef, ohne die Konflikte klein zu reden: „Wir haben viel kämpfen müssen.“ Oh ja, sagt Westfunk-Chef Hans-Jürgen Weske, der die Betriebsgesellschaft steuert. Beide sagen aber über einander, man habe das bei allen Kontroversen immer sportlich genommen.
Eines der Konflikt-Themen war der Bürgerfunk, der im Wortsinn den Bürgern eine Stimme geben sollte und zum steten Grimm von Gründungs-Chefredakteur Bernd Drescher ausgerechnet zur besten Radio-Sendezeit morgens um neun auf Sendung ging. Der heutige Chefredakteur Christian Pflug kann mit dem Thema deutlich entspannter umgehen, seit eine Novelle des Landesmediengesetzes dem Bürgerfunk einen Abend-Sendeplatz gab und auch bei der Zielgruppe umsteuerte.
Schnelligkeit und Emotion
„Die Förderung beim Bürgerfunk ist auf Schul- und Jugendprojekte umgesteuert worden“, sagt Pflug. Der Sender hat reagiert und lädt Jugendliche zu einem Radio-Ostercamp, dessen Ergebnisse Ostern im Sender zu hören sein werden.
Mit 10 festen und 25 freien Mitarbeitern produziert Radio Essen täglich acht Stunden Programm sowie Lokalnachrichten von 6.30 bis 19.30 Uhr. Bei wichtigen Ereignissen kann Radio Essen jederzeit zusätzlich senden, etwa wenn RWE spielt. Sport ist ein Kernthema des Senders seit der erfolgreichen Zeit des Eishockeyvereins Moskitos, die es zur Jahrtausendwende bis in die DEL schafften. Moderator Björn Schüngel wurde in jener Zeit zur Radio-Ikone, als sein „Tooor für die Moskitos“ aus allen Eishallen der Republik live auf Sendung ging. „Zum Ende der Saison werden wir beim Tusem antesten, ob Handball funktioniert“, sagt Pflug. Beim Sport zeige das Medium seine Stärken: Schnelligkeit und Emotion.
Kleinteilige Einsätze in den Stadtteilen
Großveranstaltungen wie das Sommerfest im Grugapark mit bis zu 20.000 Besuchern oder die Präsentationen bei den großen Stadtfesten sind seltener geworden. „Die Live-Acts werden immer teurer“, sagt Pflug, und die Musikverwertungsgesellschaft GEMA hält ebenfalls die Hand auf.
Der Chefredakteur setzt auf kleinteilige Einsätze in den Stadtteilen: „Da haben wir viel mehr Feedback bekommen.“ Das ist das richtige Konzept, sagt auch Westfunk-Chef Weske: „Der Wunsch der Menschen nach Nähe und Informationen aus dem Umfeld wird immer stärker. Der Sender geht in die Stadtteile und holt die Hörer ab.“ Zum runden Geburtstag gönnt sich der Sender aber dann doch mal eine eigene Bühne nebst eigenem Band-Contest beim Stadtfest „Essen.Original“.
Westfunk und die Zukunftspläne fürs Lokalradio
Vermarktet und betreut wird Radio Essen von Westfunk, der größten Servicegesellschaft für Lokalradios in NRW. Hans-Jürgen Weske, Geschäftsführer des Unternehmens der WAZ-Mediengruppe, sieht die Zukunft des Senders in der Verfügbarkeit auf möglichst vielen Kanälen: „Der Hörer erwartet bereits heute, dass sein Lokalradio ihn begleitet. So muss die Redaktion „on air“ sein, im Internet und in zunehmendem Maße auch mobil zu finden sein.“
Das sei gleichermaßen die Voraussetzung für den journalistischen und den wirtschaftlichen Erfolg. „Wir sind ein werbefinanziertes Radio. Um erfolgreich zu sein, müssen wir die Hörer dort abholen, wo sie zu Hause sind: im Internet, am Smartphone und am Radio.“ Deshalb ist Radio Essen schon seit 2001 im Internet präsent unter www.radioessen.de.
Die Aufgabe der Betriebsgesellschaft sieht Weske in den nächsten Jahren darin, dafür die technische Infrastruktur zu schaffen. „Die Redaktion muss in die Lage versetzt werden, auf allen Ebenen zu kommunizieren. Das ,Social Network’ gewinnt an Bedeutung; auch hier sind unsere Redakteure zu Hause und der Sender präsent.“ Radio Essen wurde 2007 als erstes Lokalradio im Ruhrgebiet in der Reichweitenanalyse EMA ausgewiesen. In der für die Werbekunden wichtigen Kategorie „Hörer gestern“, der so genannten Tagesreichweite, lag Radio Essen Anfang des Jahres bei 27,2 Prozent. Seither sind die Trendwerte gestiegen. Chefredakteur Christian Pflug und Hans-Jürgen Weske sehen Radio Essen inzwischen stabil bei 30 Prozent. In Sachen Bekanntheit in der Bevölkerung ab 14 Jahren im Verbreitungsgebiet hat Radio Essen (84 Prozent) den öffentlich-rechtlichen Sender WDR 2 (76,1 Prozent) überholt.