Essen. . Gut 80 Besucher diskutierten bei „Essen kontrovers“ das Thema „Kostenfalle Stadion“. Dabei diskutierten Teilnehmer wie Wolfgang Freye von den Linken und Barbara Rörig von der CDU darüber, ob es künftigt eine Preisangabenverordnung für öffentliche Projekte braucht.

Immer wenn es im Fußball brenzlig wird, müssen die Routiniers ran. Spieler, die vielleicht nicht mehr so schnell sind wie zu ihren aktivsten Zeiten, die aber nicht nur auf dem Platz noch alle Tricks drauf haben: das Spiel mit den Medien und ohne den Ball, das Reklamieren, auch wenn es nichts zu reklamieren gibt, das Hineindenken in des Gegners Taktik und die konsequente Zerstörung derselben, das Elfmeterschinden und die kontrollierte Empörung vor der Kamera. Leute von denen der Nachwuchs noch was lernen kann. Leute wie Christian Hülsmann.

Mit mühsam unterdrückter Unruhe verfolgt der einstige Stadtdirektor und Sportdezernent die kontroverse Debatte um die „Kostenfalle Stadion“, ehe er sich – vorbereitet durch gezielte Zwischenrufe – um die 55. Minute herum von der Zuhörerbank selbst einwechselt und den in Frageform gekleideten Titel erschöpfend beantwortet: „Es gibt keine Kostenfalle. Wir sind hier nicht bei der Elbphilharmonie oder an der Küppersmühle, wo die Kosten davon laufen.“ Und wer etwas anderes behaupte, der höre entweder nicht richtig zu oder verstehe von der Materie nichts. Basta.

„Weil hier nicht mit offenen Karten gespielt wird“

In der Tat gibt es keine große Kostensteigerung für das Projekt an der Hafenstraße – wenn man so kalkuliert wie manche Billig-Airline bei ihren Flügen: Da werden die Steuern rausgerechnet und die Landegebühren, der Aufwand fürs Gepäck und der Obolus für die Zahlung per Kreditkarte. Und wer mosert, dem zeigt man kurzerhand das Kleingedruckte mit dem Hinweis: Das steht doch alles drin…

Stand es da wirklich? Wolfgang Freye von den Linken widerspricht an diesem Abend tapfer, „weil hier nicht mit offenen Karten gespielt wird“ – und findet sich in seiner kritischen Haltung, oha, zumindest teilweise an der Seite Rainer Kambecks vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI): Der hält die Forderung nach mehr Transparenz bei öffentlichen Projekten für absolut wünschenswert. Aber dass es eine Strategie der Heimlichtuerei gibt – so weit will er dann doch nicht gehen.

Überhaupt: Wer hat schon was gegen mehr Durchblick? Barbara Rörig von der CDU jedenfalls nicht. Sie macht den Missetäter beim Stadion-Thema nicht zuletzt bei den Medien aus, räumt aber ein – und diesen Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – „Ja, es hätte durchaus unter Umständen auch anders laufen können“.

„Betriebswirtschaftlich gesehen ist der Bau genauso Nonsens wie der einer Oper“

Man wird wohl künftig mehr aufpassen müssen, wenn es in Ratsvorlagen heißt, dass etwas „bedarfsgerecht“ ausgebaut wird, egal ob es um eine Philharmonie, ein Museum, eine ehemalige Zeche oder ein Stadion geht. Dann fallen die alten Zusagen, und „Wenn sie bauen, öffnet sich eine Welt voller Überraschungen“, so Andreas Hillebrand, Chef der städtischen Grundstückstochter GVE, die das Stadion errichtet: Er erinnert daran, dass das Vorhaben zur „Abteilung Brot und Spiele“ gehört: „Betriebswirtschaftlich gesehen ist der Bau genauso Nonsens wie der einer Oper.“ Er prägt das Image – wenn’s gut geht.

Aber natürlich konkurriert er mit anderen Ausgaben einer klammen Stadt, die jeden Euro drei Mal umdrehen muss. Ist es also abwegig, marode Umkleiden in den Stadtteilen oder geschlossene Bäder zu monieren, wenn da ein 42-Millionen-Bau entsteht? Den Hinweis auf „diesen Zusammenhang muss man sich schon gefallen lassen“, findet RWI-Mann Kambeck und fügt hinzu: „Städte, die sich ein Stadion bauen, können nicht zu wenig Geld für Bildung haben.“

Auch CDU-Frau Rörig erkennt, dass sie diese Debatte nicht los wird, solange das neue Stadion im Etat der Sport- und Bäderbetriebe verbleibt, darum hält sie eine Herauslösung für sinnvoll, wenn’s geht, vor der Sommerpause. Dass 780.000 Euro Betriebskosten gleichwohl einen Wechsel auf die Zukunft darstellen, der platzen kann – dieser Hinweis von Moderator Ulrich Führmann bleibt am Ende unwidersprochen. Und das Versprechen von mehr Transparenz hält leider auch nicht lang: Als ein Zuschauer wieder und wieder fragt, ob die Abrisskosten des alten Stadions im genannten Preis enthalten sind, bekommt er vom GVE-Chef ein Ja zu hören.

Das aber stimmt nicht: Die Abrisskosten von geschätzt 450.000 Euro sind, wie auf NRZ-Nachfrage eingeräumt wird, nicht eingerechnet, sie erhöhen den Kostenaufwand weiter, werden aber voraussichtlich durch jene Erlöse gedeckt, die die GVE für das Abkippen von Bodenaushub zur Geländemodellierung erzielt.

Tricksen und durchwursteln – das gehört eben irgendwie auch zum Fußball dazu. Womit wir wieder bei Routinier Hülsmann wären, der für seinem zweiten Debattenbeitrag vor gut 80 Zuschauern die ihm zugestandenen zwei Minuten Redezeit kurzerhand um 30 Sekunden hochhandelt. Um dann zu ergänzen, „dass der Weg zum Mikro aber nicht eingerechnet wird!“. Tja Leute, so gewinnt man Spiele.

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