Essen. . Im Essener Knappschaftskrankenhaus kann man Asthma und Diabetes mit einem durch Krankenkassen teilfinanzierten Singkurs vorbeugen. Zunge rausstrecken und Gähnen gehören zum Unterricht. Denn laut Gesangstherapeut Werner Schneider kann “jeder schön singen“ - mit den richtigen Mitteln.

Hier stehe ich – und kann nicht singen. Was selbstredend nicht heißt, dass ich es nicht tue. Schräg und gern und gern auch laut. Dieser Abend nun könnte die Wende sein und mich Gernsingerin auf den Weg zur Gutsingern führen.

Der Mann, der den Schlüssel zu dieser Verwandlung in Händen hält, heißt Werner Schneider, ist Gesangstherapeut und -lehrer, Chorleiter und Pianist. Und weil sich der Alltag des Herrn um Kurse für die menschliche Stimmbildung und Gesundheit dreht, ist er im Nebenberuf auch ein wenig Klagemauer für kleine Stimmen, die in jungen Jahren schon an mittleren Herausforderungen zerbrachen und nun hoffnungsfroh sind, zur Abwechslung wohlklingend anstimmen zu können.

Denn jeder, so sagt Schneider, kann schön singen. Nur nicht von jetzt auf gleich. Der Pfad verlange Durchhaltevermögen – und Haltung. Voilà, mit der richtigen Sitzposition geht es los. So rutsche ich, wie 30 weitere Teilnehmer des Kursabends, auf die Stuhlkante und halte mich aufrecht. „Das schafft Bewegungsfreiheit für den Bauch, die ist wichtig“, sagt Schneider. Dann greifen wir zum Spiegel und schauen uns dabei zu, wie wir im Wechsel im Chor „ng“ und „chr“ sagen und singen.

Hin und wieder strecken wir „zur Entspannung“ die Zunge raus. Tja, wenn das der Schlüssel zum guten Ton ist – das kann ich.

Doch mehr noch ist die Frischluft-Übung, ein gutes Training für Asthmatiker. Womit wir beim zweiten Anspruch von Schneiders Kursen landen – der Verbesserung von Atemwegserkrankungen. „Die Übungen“, sagt Schneider, „dienen zur Vorsorge bei Asthma, Herz-Kreislauf-Beschwerden, Schnarchen und Diabetes.“

Durch das Singen trainiere man Kiefermuskulatur und Kehlkopf, die Atmung werde rhythmischer, dynamischer „und Bauchdecke und Zwerchfell werden bearbeitet“, sagt Schneider. Übernommen würden die Kosten für die Kurse – im Rahmen der gesundheitlichen Prävention – teils von den gesetzlichen Krankenkassen.

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Was nun die Teilnehmer in die Kurse treibt? „Ich habe schon immer gern gesungen“, sagt die 72-jährige Karin Sych. Nun will sie Gesundheit und Wohlklang verbinden – unter Gleichgesinnten. „Denn bis jetzt habe ich meist nur allein zu Hause gesungen.“ Ihre Schwester Ursula Szalay teilt die Leidenschaft und das Interesse, Stimmvolumen und Singtechnik zu verbessern. So singen beide mit dem Handspiegel vor dem Mund, pressen auf Schneiders Geheiß geflissentlich die Zunge gegen die untere Zahnreihe, rrrrrrollen beim Singen das R und befreien wie nebenbei durch die Vibration der Laute den Kehlkopf vom Schleim.

Nebenher erzählt der Kursleiter von Caruso, der von sich sagte, er singe aus dem Nacken oder dem Bauch. Bis wir dorthin kommen, mag es noch ein Weilchen dauern – das gerrrrollte R fordert uns schon alles ab. Vokalfolgen gebrummter As, Os und Us mit „ng“ im Ausklang singen wir erst in der vierten Wiederholung rund.

Das sei ganz wie beim Body Building, sagt Schneider, steter Muskelaufbau führe zum Erfolg. Da reiche es nicht, wöchentlich im Kurs anzustimmen – Hausaufgaben müssen sein. So gibt er ein paar Tonfolgen mit auf den Weg, und einen Kanon, der am Kursabend zweistimmig gelingt, den man nach fünf Wochen steter Übung aber erfahrungsgemäß auch vierstimmig schmettern könne. Von Einzel-Gesangsstunden übrigens sind wir alle weit entfernt. „Erst muss sich die Muskulatur kräftigen, dann macht es Sinn.“ Könne man Lautfolgen intensivieren, Laut und Klang trennen, und schließlich die Stimme spiegeln und erweitern. Bis dahin trainieren wir eifrig Anfängerübungen, gähnen, weil es die Muskulatur kräftigt, und atmen, atmen, atmen.

Bleibt zu klären, wie Schneider auf die Idee kam, seine Kurse „Hustifex-Brummer“ zu nennen. Hustifex, so sagt er, solle den gesundheitlichen Aspekt der Kurse abbilden, „weil ich ein Asterix-Fan bin, kam ich auf diesen Namen“. Der Brummer schließlich sei allen Kursteilnehmern geschuldet, die sich das Singen nicht zutrauen, sondern lieber Brummen – und nun lupenreine rrrrrr’s lernen wollen.