Huckingen. .

„Jeder kann singen lernen“, behauptet Jazzsängerin und Gesangslehrerin Judy Rafat. Mit ihr sprach Redakteurin Andrea Müller.

Kann wirklich jeder singen?

Judy Rafat: Viele Menschen werden in Kindheit und Jugend durch Lehrer, Eltern oder andere Kinder entmutigt. Etwa dadurch, dass nur die Besten herausgepickt werden und in den Schulchor dürfen. Die anderen glauben, dass sie nicht singen können. Quatsch. Jeder hat die Fähigkeit dazu.

Spielt denn die Begabung keine Rolle?

Begabung heißt in diesem Fall, ein gutes Gehör haben. Nur wer Töne gut hören kann, kann auch eine Melodie halten. Es gibt Menschen, die haben das Töne hören nie gelernt, müssen es üben. Lehrer und Schüler brauchen dabei ein wenig Geduld.

Und irgendwann klappt es dann?

Ja. Ich hatte mal einen Schüler, der keinen Ton traf, wir haben sechs Wochen lang nur Hänschen Klein geübt, dann ging es. Danach konnte er auch andere Lieder singen.

Der Gesangsunterricht vermittelt Techniken . . .

Man muss sich eine bestimmte Atemtechnik und Stimmtechnik aneignen, dafür gibt es diverse Übungen. Im Gegensatz zum klassischen Gesang braucht man bei Jazz und Pop u.a. auch die Bruststimme. Auch die muss trainiert werden. Wir schulen zudem das Rhythmusgefühl. In meinen Kursen verteile ich CDs mit Playback-Musik, meine Schüler können dazu zu Hause singen. Klar muss sein: Ohne üben geht es nicht.

Wer besucht Jazz- und Pop- Gesangskurse?

Das tun Leute jeden Alters. In einem Kurs habe ich zum Beispiel drei Mädchen mit ihren Müttern. Manche Teilnehmer spielen ein Instrument, andere nicht. Einige sind Chorsänger. Frauen sind übrigens in der Überzahl. Manche wurden durch Casting-Shows im Fernsehen dazu animiert, sich bei mir anzumelden. Die meisten Teilnehmer wollten schon immer mal singen, haben sich aber nie getraut.

Man muss sich also richtig trauen, oder?

Singen lernen hat auch mit Mut zu tun. Wenn du vor anderen singst, stellst du dich bloß, gibst mehr von deiner Seele preis, als beim Instrumenten-Spiel.

Und das fällt vielen schwer?

Ja. Vor allem leistungsbezogene Personen tun sich schwer, weil sie denken, dass sie gleich supergut sein müssen. Aber: Wer singen lernen will, braucht Mut zur Unvollkommenheit. Man muss sich klar machen, dass man nicht für andere, sondern nur für sein eigenes Glück singt. Ich habe schon schüchterne Mädchen dabei gehabt, die zur Rampensau geworden sind.

Das klingt nach Selbsterfahrung?

Irgendwie ist meine Arbeit auch Therapie, sie vermittelt positive Denkmuster. Wenn die Leute bei mir merken, dass sie doch singen können, sind sie innerlich oft sehr bewegt. Es gab Schüler, die sogar losgeweint haben. Manchen tut es gut, einfach mal laut zu sein. Das Singen befreit, es fördert die Persönlichkeitsentwicklung und das Selbstbewusstsein.

Ihre Schüler sind auch schon aufgetreten . . .

Und haben toll gesungen. Ich finde es so spannend, zu beobachten, was aus einem Normalo sängerisch herauszuholen ist. Ich hätte übrigens große Lust dazu, in Duisburg mal einen Song Contest zu organisieren.