Hattingen. Demente und bettlägerige Menschen nehmen über Töne in Caroline Voggenreiter-Schaads Therapie Kontakt zur Umwelt auf.

Als Caroline Voggenreiter-Schaad „Das Wandern ist des Müllers Lust“ und „Muss i denn“ anstimmt, steht die 83-Jährige auf und blickt nach draußen. Was daran erwähnenswert ist? Die demente Bewohnerin des Heidehofs in Niederwenigern, die früher im Chor sang und Volksmusik, Klassik und Schlager liebte, redet fast nicht mehr. Beckengurt und ein Klettverschluss halten sie sicher im Rollstuhl.

Die Musiktherapeutin, die seit Mai im Rahmen des Projektes „Ein Engel für Alte“ der Kirchengemeinde St. Georg acht Bewohner im Heidehof betreut, muss sie aus Sicherheitsgründen zwar wieder angurten. Als sie „Die Gedanken sind frei“ summt, entspannt sich ihr Schützling trotzdem. Zwölf Mal, jeweils am Dienstagvormittag, betreute Caroline Voggenreiter-Schaad die Bewohnerinnen und Bewohner für einige Stunden. Anliegen war, dementen, nicht mehr mobilen, bettlägerigen Bewohnern durch Musiktherapie ein individuelles Angebot zu schaffen, da sie nicht an Gruppenangeboten teilnehmen können.

Durch Musik, so die Therapeutin, kommen Menschen in innere und äußere Bewegung. Erinnerungen und Gefühle werden wachgerufen. Menschen, die nicht mehr sprechen können, kommunizieren nonverbal, finden über Singen und die Musik doch zur Sprache zurück. Bewegungslieder lösen Verkrampfungen spielerisch. Spastische Hände entspannen sich und greifen wieder zu, um ein Instrument zu spielen. Wie bei einer 69-Jährigen. „Nach mehreren Wochen, in denen ich ihr viele verschiedene Lieder vorgesungen und CDs vorgespielt hatte, fing sie tatsächlich an mit zu tönen und am Zeilenende ein Wort mit zu singen“, freut sich die Musiktherapeutin.

Keinen Kontakt möchte ein krebskranker Bewohner. Besucher komplimentiert er innerhalb weniger Minuten zur Tür. Er will seine Ruhe, hat sich von vielen Dingen des Lebens verabschiedet. Dreh- und Angelpunkt für den 68-Jährigen ist die Zimmertür. Sie muss offen stehen.

Von der offenen Tür aus spielt Caroline Voggenreiter -Schaad leise ein Stück vor, bevor sie das Zimmer betritt. Als sie ihn bittet, ihre Pause bei ihm in aller Stille verbringen zu dürfen, bietet er den Stuhl neben seinem Bett an. In die Stille hinein fängt er an, über das gehörte Musikstück zu sprechen, über seine Erlebnisse mit dem Interpreten, andere Musiker, über Reisen und seine Erfahrungen.

Kinderlieder liebt eine 91 Jahre alte Frau. Bewegungslieder lösen ihre spastischen Hände, so dass sie Glockenstab und Schellenkranz in die Finger nehmen kann.

Ein ehemaliger Pilot und Manager (89) spielt am Klavier Jazz, obwohl er dement ist. Seine Frau tanzt mit den Händen Tango und Walzer. „Wichtig bei meiner Arbeit als Musiktherapeutin ist mir, dass ich den Klienten immer wieder Wahlmöglichkeiten anbiete, sie in ihrer Fähigkeit stärke eigene Entscheidung zu treffen“, sagt Caroline Voggenreiter-Schaad. Musik schafft wieder soziale Kontakte, weckt Freude, schafft ein Stückchen Lebensqualität.

Geht sie mit dem Musikwagen von einem Wohnbereich zum anderen, ergeben sich auch kurze Kontakte mit mobilen und orientierten Bewohnern. Da wird gern mal ein Instrument probiert und spontan zusammen gesungen. Man kommt ins Gespräch. Auch sie genießen den Kontakt und die Abwechslung.