Essen. Ausgerechnet Eigentümer einer Senioren-Residenz verhindern, dass der S-Bahnhof Stadtwald behindertengerecht ausgebaut wird. Was klingt wie aus einem Drehbuch aus Absurdistan, hat eine Vorgeschichte.

Karl-Wilhelm Drews ist seit 38 Jahren bei Bahn. Und in seinem langem Berufsleben hat Essens Bahnhofsmanager so einiges erlebt. In Berlin zum Beispiel, wo bei der Sanierung des Ost-Bahnhofs ein Kunstwerk im Wege stand, eine stählerne Reminiszenz an eine Lokomotive. Kurz vor der Not, so erinnert sich Drews schmunzelnd, habe er das Kunstwerk zerlegen und dem Künstler ausrichten lassen, er könne es abholen, was dieser dann auch getan habe.

Am S-Bahnhof Essen-Stadtwald liegen die Dinge anders. Komplizierter. So kompliziert, dass es mit einer Portion Entschlussfreude und einem funktionstüchtigen Schweißbrenner allein nicht getan ist, um die verfahrene Situation in Bewegung zu bringen.

Die Deutsche Bahn wird den S-Bahnhaltepunkt in diesem Jahr umbauen. Unter anderem wird ein Behinderten-Aufzug gebaut. Geplant waren zwei, an jedem Gleis einer. Doch einen zweiten Aufzug wird es nicht geben, weil der einzig mögliche Weg dorthin über ein privates Grundstück führt und dessen Eigentümer wollen davon nichts wissen. Das Grundstück gehört zu einer Senioren-Residenz!

Was klingt wie aus einem Drehbuch aus Absurdistan, hat eine Vorgeschichte. 1991 entstand unmittelbar am S-Bahnhof das „Arkanum“, ein Alterssitz in attraktiver Lage, heute besser bekannt unter dem Namen „Ahorn-Residenz“. Die Deutsche Bahn hatte das alte Bahnhofsgebäude samt Grundstück verkauft, nicht ohne sich das Wegerecht sichern zu lassen, weshalb der Zugang zu den Gleisen mitten durch die Residenz führt. Das sieht ungewöhnlich aus, ist für den Betreiber aber ein Pfund, mit dem er wuchert. „In unseren Prospekten werben wir damit, dass wir den Bahnhof im Haus haben“, sagt Geschäftsführer Wilhelm Krenn.

Nur fünf Quadratmeter

Wer sich im Alter zur Ruhe setzt, legt Wert auf eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr und auf Standards, die es auch alten Menschen erlauben, am öffentlichen Leben teilzunehmen. Nicht nur Wilhelm Krenn, auch die Bewohner der Senioren-Residenz würden es seinen Worten nach deshalb sehr begrüßen, könnte ein zweiter Aufzug gebaut werden. Der käme gleich hinter dem alten Stellwerk zum Stehen, dessen Innenleben längst vom Hauptbahnhof aus ferngesteuert wird. Einen anderen Platz, der infrage käme für einen Lift, gibt es nicht, bedauert Bahnhofsmanager Drews. Die Bahn habe das geprüft.

Der Weg zum Aufzug würde entlang der Senioren-Residenz geführt. „Es geht um fünf Quadratmeter“, schätzt Wilhelm Krenn. Doch die „Ahorn-Residenz“ ist nicht Herr im Haus, sondern nur Mieter. Der Besitz verteilt sich auf 75 Eigentümer. Nur eine Handvoll davon wohnt selbst vor Ort. Die übrigen residieren in Hamburg, am Tegernsee...

"Diejenigen, die da waren, waren dafür"

„Die haben das Haus im Prospekt gesehen, als Kapitalanlage gekauft, und gut ist“, weiß Verwalter Hans-Gerd Killing von der Alba Grundstücksverwaltung GmbH. In Rundbriefen und auf einer Eigentümerversammlung habe er über das Vorhaben der Bahn informiert. „Diejenigen, die da waren, waren dafür“, berichtet Killing. Aber da waren eben nicht alle. 50 Prozent der Eigentümer hätten schriftlich ihre Zustimmung zum Bau des Aufzuges gegeben, berichtet Bahnhofsmanager Drews. „Wir brauchen aber 100 Prozent.“ Nur einer meldete sich laut Killing, noch am Telefon mit der Frage: „Was habe ich davon?“

Die Bahn wird es nun am S-Bahnhof Stadtwald bei einem Aufzug belassen. Sie wird die maroden Dächer durch moderne Wartehäuschen ersetzen, sie wird die Beleuchtung und die Beschilderung erneuern und die beiden Bahnsteige um 20 Zentimeter erhöhen, damit auch Gehbehinderte bequem in die S-Bahnzüge einsteigen können. Wollen sie in die Innenstadt, müssen sie die S-Bahn nach Werden nehmen, wo es an beiden Gleisen Aufzüge geben wird. Dort müssen sie umsteigen und wieder zurück fahren in Richtung Hauptbahnhof. Für mehr Komfort bedürfte es Interesses und etwas guten Willens in Hamburg, am Tegernsee ...

Info: Modernisierung

Der Umbau des S-Bahnhofs Stadtwald an der S-Bahnlinie S 6 ist Teil der so genannten Modernisierungsoffensive II der Deutschen Bahn und des Landes. Die Kosten in Höhe von 2,6 Millionen Euro werden öffentlich gefördert. Die Arbeiten sollen im Sommer beginnen und werden nach Angaben der Bahn voraussichtlich bis 2013 dauern. Ebenfalls modernisiert werden die S-Bahnhöfe Hügel, Kettwig und Werden.

Hochglanz für alte Bahnhöfe

Für 350 Millionen Euro werden fünf Hauptbahnhöfe im Rahmen des
Für 350 Millionen Euro werden fünf Hauptbahnhöfe im Rahmen des "Bahnhofspakets NRW" modernisiert. In Essen haben die Arbeiten schon begonnen. © Remo Bodo Tietz; NRZ
Die Front des Essener Hauptbahnhofs: Die Haupthalle wird ab Sommer komplett entkernt.
Die Front des Essener Hauptbahnhofs: Die Haupthalle wird ab Sommer komplett entkernt. © Remo Bodo Tietz NRZ
Einer der weniger schönen Flecken des Essener Hauptbahnhofs.
Einer der weniger schönen Flecken des Essener Hauptbahnhofs. © Remo Bodo Tietz NRZ
1902 wurde ein repräsentatives Bahnhofsgebäude eröffnet, das im Zweiten Weltkrieg bei Bombenangriffen zerstört wurde. Ersetzt wurde es durch den schlichten Neubau, der auch heute noch steht.
1902 wurde ein repräsentatives Bahnhofsgebäude eröffnet, das im Zweiten Weltkrieg bei Bombenangriffen zerstört wurde. Ersetzt wurde es durch den schlichten Neubau, der auch heute noch steht. © Remo Bodo Tietz NRZ
Falls es zum Umbau kommt, könnten auch die Pavillions verschwinden.
Falls es zum Umbau kommt, könnten auch die Pavillions verschwinden. © Remo Bodo Tietz NRZ
Bis zum Kulturhauptstadtjahr 2010 soll ein sanierter, behindertengerechter und vorzeigbarer Hauptbahnhof her.
Bis zum Kulturhauptstadtjahr 2010 soll ein sanierter, behindertengerechter und vorzeigbarer Hauptbahnhof her. © WAZ
Bahnkunden beklagen die fehlende Sauberkeit des Hauptbahnhofes. Auch dies soll sich bald geändert haben.
Bahnkunden beklagen die fehlende Sauberkeit des Hauptbahnhofes. Auch dies soll sich bald geändert haben. © WAZ
Ein Blick nach Duisburg: Bisher steht die Umbau-Ampel noch auf
Ein Blick nach Duisburg: Bisher steht die Umbau-Ampel noch auf "Rot"... © NRZ
...denn auch am Duisburger Hauptbahnhof wird auf die Bahn gewartet. Bis wann sich der Umbau realisieren lässt, ist unklar...
...denn auch am Duisburger Hauptbahnhof wird auf die Bahn gewartet. Bis wann sich der Umbau realisieren lässt, ist unklar... © NRZ
...spätestens aber 2012. Hier der Blick auf einen der sechs Bahnsteige.
...spätestens aber 2012. Hier der Blick auf einen der sechs Bahnsteige. © waz
Ein Blütenmeer vor dem Duisburger Hauptbahnhof. Auf dem Vorplatz wird sich ebenfalls einiges ändern - damit hat die Bahn aber nichts zu tun. Denn...
Ein Blütenmeer vor dem Duisburger Hauptbahnhof. Auf dem Vorplatz wird sich ebenfalls einiges ändern - damit hat die Bahn aber nichts zu tun. Denn... © NRZ
...getragen werden die Umbaumaßnahmen von der Kommune. Die A59, die direkt unter dem Vorplatz entlang führt, soll überdacht werden.
...getragen werden die Umbaumaßnahmen von der Kommune. Die A59, die direkt unter dem Vorplatz entlang führt, soll überdacht werden. © WAZ
Wann die Umbauten im Bahnhofsinnern - zum Beispiel in der Eingangshalle - losgehen sollen, ist noch unklar.
Wann die Umbauten im Bahnhofsinnern - zum Beispiel in der Eingangshalle - losgehen sollen, ist noch unklar. © WAZ
Der erste Duisburger Bahnhof wurde am 9. Februar 1846 eröffnet. Vom ursprünglichen Bau ist nichts geblieben. Täglich kommen am Duisburger Hauptbahnhof 82.000 Besucher an.
Der erste Duisburger Bahnhof wurde am 9. Februar 1846 eröffnet. Vom ursprünglichen Bau ist nichts geblieben. Täglich kommen am Duisburger Hauptbahnhof 82.000 Besucher an. © WAZ
185 Fern- und 326 Nahverkehrszüge frequentieren den Duisburger Hauptbahnhof täglich.
185 Fern- und 326 Nahverkehrszüge frequentieren den Duisburger Hauptbahnhof täglich. © foto@luftbild-blossey.de
So idyllisch sieht der Dortmunder Hauptbahnhof nur aus wenigen Perspektiven aus. Auch er ist Teil des Bahnhofspakets NRW.
So idyllisch sieht der Dortmunder Hauptbahnhof nur aus wenigen Perspektiven aus. Auch er ist Teil des Bahnhofspakets NRW. © WAZ
Seit 1952 bildet der Dortmunder Hauptbahnhof einen der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte der BRD. Seit 1997 wird über einen Umbau verhandelt.
Seit 1952 bildet der Dortmunder Hauptbahnhof einen der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte der BRD. Seit 1997 wird über einen Umbau verhandelt. © Hans Blossey
Jährlich nutzen 41 Millionen Menschen den Dortmunder Hauptbahnhof, unter Dortmundern auch
Jährlich nutzen 41 Millionen Menschen den Dortmunder Hauptbahnhof, unter Dortmundern auch "Pommesbude mit Gleisanschluss" genannt. © WAZ
Zuerst sollte 1999 das
Zuerst sollte 1999 das "UFO" auf dem Dortmunder Hauptbahnhof landen - eine etwas andere Form der Bahnhofsgestaltung. © WAZ
Als nächstes war das Projekt
Als nächstes war das Projekt "3do" im Gespräch. Hell und modern hätte der Dortmunder Hauptbahnhof ausgesehen und Einkaufs- sowie Freizeitmöglichkeiten geboten. © WR
Aber weder
Aber weder "UFO" noch "3do" wurden realisiert. Alles blieb beim Alten, wie hier der Nordeingang. Jetzt gibt es wieder eine neue Hoffnung. © WAZ
Eigentlich ist der Hauptbahnhof das
Eigentlich ist der Hauptbahnhof das "Tor zur Stadt". Doch wer den Mülheimer Hbf betritt, bekommt einen Schock. Ein langer Gang ohne jeden Charme, da ist eigentlich eine Renovierung Pflicht. Doch im Bahnhofspaket wird Mülheim nicht berücksichtigt. © NRZ
"Hinterhofcharakter" attestiert Stadtsprecher... © NRZ
...Volker Wiebels dem Hauptbahnhof. Mülheim hat zwar einen Passbildautomaten - aber grundlegende Sachen fehlen: ein WC zum Beispiel.
...Volker Wiebels dem Hauptbahnhof. Mülheim hat zwar einen Passbildautomaten - aber grundlegende Sachen fehlen: ein WC zum Beispiel. © NRZ
Viele Mülheimer unken, dass die Fahrpläne das Beste am Bahnhof sind. Denn die zeigen die Verbindungen, um den Bahnhof endlich verlassen zu können.
Viele Mülheimer unken, dass die Fahrpläne das Beste am Bahnhof sind. Denn die zeigen die Verbindungen, um den Bahnhof endlich verlassen zu können. © NRZ
Der Nord-Ausgang könnte ebenfalls einen neuen Anstrich gebrauchen.
Der Nord-Ausgang könnte ebenfalls einen neuen Anstrich gebrauchen. © NRZ
Im Januar 2007 fehlten am Haupteingang sogar zwei Buchstaben! Und das soll der Bahnhof einer 170.000-Einwohner-Stadt sein?
Im Januar 2007 fehlten am Haupteingang sogar zwei Buchstaben! Und das soll der Bahnhof einer 170.000-Einwohner-Stadt sein? © NRZ
Die Stadt bemüht sich selbst um eine Qualitäts-Offensive, wartet aber auf große Hilfe der Bahn - zum Beispiel, um endlich die Bahnhofshalle ins 21. Jahrhundert zu hieven.
Die Stadt bemüht sich selbst um eine Qualitäts-Offensive, wartet aber auf große Hilfe der Bahn - zum Beispiel, um endlich die Bahnhofshalle ins 21. Jahrhundert zu hieven. © NRZ
Aber eine Erneuerung des Mülheimer Bahnhofs - hier aus der Luft fotografiert - ist nicht in Sicht.
Aber eine Erneuerung des Mülheimer Bahnhofs - hier aus der Luft fotografiert - ist nicht in Sicht. © foto@luftbild-blossey.de
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