Essen. . Fast die Hälfte aller über 70-Jährigen geht allein nicht vor die Tür. Ein wöchentlicher Treff in den Stadtteilen soll das ändern. Bewegung helfe, im Alter mobil und psychisch stabil zu bleiben, meint Lisa Schwermer von der Gesundheitskonferenz.
Ein Eldorado für Spaziergänge, so nennt Siegfried Scheidtmann seinen Stadtteil, durch den er bald Senioren führen will. Denn das Hörsterfeld habe neben der Ruhr und einer kleinen Burg auch Wege an dem Fluss bis zum Eisenbahnmuseum nach Dahlhausen zu bieten. Also hat sich der 77-Jährige als Pate beim Projekt „Willst du mit mir gehen“ gemeldet. Weil ihn seine Enkel aber häufig einspannen, hofft er auf Mitstreiter, um sich als Pate abwechseln zu können.
Die Spaziergänge sollen im März starten und wöchentlich stattfinden. Bis dahin sollen sich möglichst viele Paten in allen Stadtteilen finden, die gern laufen. Sie sollen die rüstigen älteren Menschen aus den Häusern locken, die sonst nicht allein losgehen würden, erklärt Ingeborg Schrader vom Seniorenbeirat. Außer diesem sind als Initiatoren die Gesundheitskonferenz und das Seniorenreferat im Boot. Das Wohnungsunternehmen Allbau will helfen und seine Mieter informieren.
Soziale Kontakte stehen im Vordergrund
Bereits bestehenden Angeboten wollen die Verantwortlichen keine Konkurrenz machen, betont Ingeborg Schrader: „Aber es gibt eben Menschen, die sich keiner Organisation und auch nicht den Kirche anschließen.“ Ihr Paten-Projekt soll ein offenes Angebot werden. Potenzielle Spaziergänger gebe es: „Bis zu 40 Prozent der über 70-Jährigen gehen gar nicht raus“, sagt Schrader. Bewegung helfe, im Alter mobil und psychisch stabil zu bleiben, meint Lisa Schwermer von der Gesundheitskonferenz: „Inaktivität hingegen ist ein Risikofaktor für Krankheiten.“
Dabei steht beim neuen Paten-Projekt etwas ganz anderes im Vordergrund: die sozialen Kontakte. „Wir helfen, damit ältere Menschen möglichst lange in ihrem Stadtteil bleiben und den sozialen Anschluss nicht verlieren“, sagt Ingrid Peuckert vom Seniorenreferat.
So erging es Barbara Behr (67). Seit sie vor drei Jahren aus dem Beruf ausstieg, „bin ich außen vor“. Dabei war die Rüttenscheiderin immer unter Menschen, führte ihr eigenes Hotel. Sie suchte nach einem Ehrenamt und hat für ihren Stadtteil gleich zwei Mitstreiterinnen gewonnen. Barbara Behr will die Senioren in die schönen Nebenstraßen Rüttenscheids führen, um alte Häuser zu bewundern. Ein Abstecher ins Museum Folkwang nicht ausgeschlossen.
Auf die Wünsche der Senioren eingehen
Mehr Paten für seinen Stadtteil wünscht sich Jürgen Berndt: Bei dem 69-jährigen Heisinger können die Spaziergänger mit viel Historischem rechnen und vielleicht auch mal mit einem alten Bild, denn er hat 3000 archiviert. Käte Nennstiel (74) bietet sich für Spaziergänge durch Rüttenscheid, Holsterhausen und Frohnhausen an, zum Germakenplatz oder entlang der Hölderlinstraße.
Ingrid Weston (72) will als Patin auf die Wünsche der Senioren eingehen. Bislang laufe sie viel allein: „Warum sollte ich da nicht andere Menschen mitnehmen“, fragt sie. Früher hat Ingrid Weston als Sekretärin gearbeitet, dann Familienangehörige gepflegt. „Plötzlich war ich alt.“ Heute habe sie Zeit, die sie teilen möchte.