Essen. . Im August organisieren die Essener Schützen erstmals ein großes Fest auf dem Kennedyplatz. Vorurteile sollen abgebaut und Nachwuchs soll geworben werden. Rund 3.400 Schützen sind in Essen organisiert. Dass ihr Sportgerät eine Waffe ist, trifft bei vielen Eltern auf Vorbehalte und erschwert die Nachwuchsarbeit.
Die Schützen der Stadt sehen sich in der Bevölkerung nicht akzeptiert. Um das zu ändern und den Erhalt ihres Jahrhunderte alten Brauchtums zu sichern, organisieren sie erstmals vom 10. bis zum 12. August ein großes Schützenfest auf den Kennedyplatz. „Wir wollen um Akzeptanz werben, auf unsere sportlichen Erfolge hinweisen und vor allem junge Leute gewinnen“, sagt Jens Vehlhaber, der als Vorsitzender des hiesigen Schützenbezirks mehr als 3400 Schützen vertritt. Dazu gehören nur knapp 150 Jugendliche - weil der Nachwuchs fehlt, mussten sich in den vergangenen Jahren fünf Vereine auflösen.
„Nachwuchsprobleme haben viele Vereine“, sagt Henning Sarstedt, Vorsitzender einer der drei Schützenkreise in Essen. „Wir haben aber zusätzlich das Problem, dass unser Sportgerät eine Waffe ist.“ Und das trifft bei manchen Eltern auf Vorbehalte.
„Man muss den Spenden hinterherlaufen“
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Nicht zuletzt seit dem Amoklauf von Winnenden. 2009 hatte ein 17-Jähriger an einer Realschule 15 Menschen und sich selbst getötet – mit der Waffe seines Vaters. Dieser war über Jahre hinweg als Sportschütze aktiv, er soll 15 Waffen besessen haben. Kurz nach Winnenden haben große Unternehmen wie Coca Cola Spenden an Schützenvereine eingestellt. Auch viele Mittelständler in Essen würden ihr Geld seitdem lieber einem Fußballverein als einem Schützenverein geben. „Man muss den Spenden hinterherlaufen, das Schützenwesen ist nicht publikumswirksam“, sagt Henning Sarstedt.
Der Kreisvorsitzende distanziert sich mit deutlichen Worten von dem Amoklauf: „Winnenden wird in unseren Kreisen nicht diskutiert.“ Er betont: Nicht der Sohn, sondern der Vater sei der Sportschütze gewesen.
„Der Schießsport macht nicht aggressiv, es geht nicht ums Herumballern oder Dampf ablassen“, sagt Vehlhaber. Beim Badminton oder Fußball kämpfe man gegeneinander. „Beim Schießen kämpft man nur gegen sich selbst.“ Es sei ein mentaler Sport, der Konzentration, innere Ruhe und Disziplin verlange. „Das kommt jungen Menschen zu Gute, an die in der Schule immer höhere Anforderungen gestellt werden.“
„Es bekommt auch nicht jeder Schütze gleich seine eigene Waffe“
Zudem würden die Vereinswaffen immer fest verschlossen, den einzigen Schlüssel hat der Sportwart. „Es bekommt auch nicht jeder Schütze gleich seine eigene Waffe.“ Erwachsene müssten ein Jahr im Verein sein und an Wettkämpfen teilnehmen, ehe sie einen Waffenbesitzschein beantragen können. Es gebe strenge Nachweispflichten.
Neben dem Sport spielt die Tradition eine wichtige Rolle. Schützenvereine gehen auf die Bürgerwehren des elften Jahrhunderts zurück: Gilden, die Bürger beschützten und oft karitativ tätig waren. Gemeinwohl und Kameradschaft sind den Schützen wichtig. Regelmäßige Zeltlager und Ausflüge schweißen zusammen, die Gemeinschaft stehe im Vordergrund, sagt Vehlhaber. „Diesem Trend der Individualisierung, in dem Kinder zu Einzelkämpfern erzogen werden, setzen wir die Gemeinschaft entgegen.“
Und der Alkohol? Sind die Schützen nicht auch Saufbrüder? Auf Jugendveranstaltungen, in den Sportstätten und bei Wettkämpfen herrsche absolutes Alkoholverbot, sagt Vehlhaber deutlich. Bei Schützenfesten gebe es sicher Ausreißer, aber: „Gerade wenn wir im grünen Schützenrock auftreten, achten wir darauf, dass keiner in unseren Reihen Alkohol trinkt. Wir repräsentieren unseren Verein, unsere Tradition, unsere Werte.“
Schützenfest Bergeborbeck
