Essen. 2011 gab es 36 verkaufsoffene Sonntage in Essen: Zu viele, sagen Kirchen und Gewerkschaften. Die IHK vertritt eine andere Meinung: Die Unternehmer soll entscheiden. Hintergrund der Diskussion ist die aktuelle Debatte im Landtag. Es gibt Forderungen, die Ladenöffnungszeiten wieder zu beschränken.

36 verkaufsoffene Sonntage gab es 2011. Zu viele, sagt Dieter Hillebrand vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB Essen). Daher arbeiten derzeit Gewerkschaften und Kirchen an einer Erklärung: „Wir erwarten, dass verkaufsoffene Sonntage massiv zurückgefahren werden“, sagt Hillebrand. Sonst würden der einzelne Mensch und die Familie der Ökonomisierung unterworfen. Essen, die Einkaufsstadt sei ein netter Werbeslogan – aber aufs Zentrum bezogen, sagt er. Es könne nicht sein, dass jedes Straßenfest im Stadtteil zum verkaufsoffenen Sonntag werde.

Hintergrund der Diskussion ist die aktuelle Debatte im Landtag. Es gibt Forderungen, die Ladenöffnungszeiten wieder zu beschränken (werktags bis 22 Uhr) sowie die Zahl der verkaufsoffenen Sonntage zu reduzieren: auf bis zu vier pro Stadt im Jahr. Zurzeit sind es vier, die aber jeder Stadtteil individuell wählen kann.

Unsinnige Bevormundung

„Menschen brauchen den Sonntag“, formulieren Evangelische und Katholische Kirche. Weil der Wechsel von Arbeit und Ruhe zum Leben gehöre und der Sonntag den Kreislauf von Arbeit und Konsum unterbreche. Im Hauptbahnhof bei Lidl nicht: Wer dort sonntags mal eben einen Liter Milch kaufen will, der trifft mitunter auf Menschenmassen, die offenbar ihren Wocheneinkauf aufs Wochenende verlegen. Rolf Krane (Interessengemeinschaft Rüttenscheid) glaubt ohnehin: Keiner komme in die Kirche, nur weil Geschäfte nicht mehr öffneten.

Auch das Argument der Besinnung entspreche nicht der Praxis. Krane und Andrea Schwenke (Managerin des Allee-Centers in Altenessen) kritisieren die Pläne als unsinnige Bevormundung: Die Politik betone, Stadtteile und Nahversorgung stärken zu wollen und benachteilige genau diese, die eh gebeutelt seien. Zudem müsse man den einzelnen Arbeitsplatz betrachten: Ob City und Stadtteile gleichzeitig oder versetzt öffnen, für Verkäufer sind es höchstens vier Sonntage im Jahr. „Versteht die Politik das nicht?“, fragt Krane. Und: „Wie wäre es, verkaufsoffene Sonntage in der Innenstadt und den Einkaufs-Centern zu streichen, um die Stadtteile zu stärken?“ Das würde die meisten Beschäftigten schützen, ganz im Sinne der Gewerkschaften. Krane ist überzeugt: Bei stadtweit vier Sonntagen bleiben die Läden in Stadtteilen zu.

"Wir sind Dienstleister"

Das glaubt Leon Finger, Modegeschäft-Inhaber und Vorsitzender des Initiativkreises City-Steele, nicht: „Es gab schon Überschneidungen, damit konnten wir leben.“ Weil ihr Weihnachtsmarkt oder der Blumen- und Pflanztag weit über ein Dorffest hinausgingen. Die Schwäche der Regulierungs-Ideen sieht Finger darin, dass nicht nach der Größe der Stadt unterschieden werde: Kleineren reichten vier Sonntage vielleicht, weil sie gar keine Stadtteilezentren haben. Die Pläne zu den Werktagen treffen Steele ebenfalls nicht. Die Kernzeit ist 18.30 Uhr. Das seien gewachsene Strukturen der vor allem inhabergeführten Geschäfte.

Kaufrausch am Sonntag

Verkaufsoffener Sonntag in der Essener InnenstadtFoto: Kerstin Kokoska
Verkaufsoffener Sonntag in der Essener InnenstadtFoto: Kerstin Kokoska © WAZ FotoPool
Verkaufsoffener Sonntag in der Essener InnenstadtFoto: Kerstin Kokoska
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Verkaufsoffener Sonntag in der Essener InnenstadtFoto: Kerstin Kokoska
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Verkaufsoffener Sonntag in der Essener InnenstadtFoto: Kerstin Kokoska
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Verkaufsoffener Sonntag in der Essener InnenstadtFoto: Kerstin Kokoska
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Verkaufsoffener Sonntag in der Essener InnenstadtFoto: Kerstin Kokoska
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Verkaufsoffener Sonntag in der Essener InnenstadtFoto: Kerstin Kokoska
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Verkaufsoffener Sonntag in der Essener InnenstadtFoto: Kerstin Kokoska
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Verkaufsoffener Sonntag in der Essener InnenstadtFoto: Kerstin Kokoska
Verkaufsoffener Sonntag in der Essener InnenstadtFoto: Kerstin Kokoska © WAZ FotoPool
Verkaufsoffener Sonntag in der Essener InnenstadtFoto: Kerstin Kokoska
Verkaufsoffener Sonntag in der Essener InnenstadtFoto: Kerstin Kokoska © WAZ FotoPool
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Die Öffnungszeiten müssen unternehmerische Entscheidung bleiben“, sagt Guido Zakrzewski (IHK Essen). Sonst profitieren Tankstellen, Hofläden und vor allem das Internet mit ohnehin zweistelligen Wachstumszahlen. Zudem würden Karawanen in die Niederlande erheblich Kaufkraft kosten, sagt Marc André Heistermann vom Einzelhandelsverband. Von allen werde Flexibilität verlangt, dass müsse auch für den Einzelhandel gelten: „Wir sind Dienstleister.“ Offene Sonntage seien für die Stadtteile Marketing und zum Beispiel bei Verkäufern im Möbeleinzelhandel sehr begehrt, um mit der Provision ihr Gehalt zu erhöhen.

ÖPNV noch nicht angepasst

Im Limbecker Center hießen kürzere Öffnungszeiten: kein Einkauf mehr bis Mitternacht. Jeden ersten Freitag im Monat liegt dann die Kundenfrequenz bei 90.000, am normalen Donnerstag bei 45.000, sagt Managerin Claudia Theisel: „Einkaufen ist keine lästige Pflicht mehr wie Staubsaugen, sondern Erlebnis.“ Mancher Verkäuferin hätten erst diese Zeiten die Arbeit ermöglicht, wenn der Mann abends beim Kind bleibt. Ein Problem bringt der Einkauf bis 24 Uhr dann doch, sagt Theisel: „Der öffentliche Nahverkehr hat sich noch nicht angepasst.

2011 machte Rewe ein Drittel seines Gesamtumsatzes nach 18 Uhr. Märkte wie an der Rellinghauser und Steeler Straße öffnen bis 24 Uhr. Je 200 Kunden kämen im Schnitt nach 22 Uhr, sagt Kira Limbrock, Vorstands-Assistentin. Der Lebensrhythmus habe sich verändert.