Essen. . Deutsch lernen und Deutschland kennenlernen, das ist für 50 internationale DAAD-Studenten nicht immer das Gleiche. „In Deutschland Deutsch zu lernen, das macht die Sprache um ein Vielfaches realistischer“, sagt Dozentin Katrin Bieck am Essener Campus.
Käsespätzle nach Allgäuer Art? Regenbogenforelle? „Und was ist Cevapcici?“ Johanna Bonilla steht unschlüssig in der Mensa auf dem Essener Universitätscampus vor Schildern, auf denen einige Mahlzeiten für den Tag aufgeführt sind.
Seit vielen Jahren lerne sie Deutsch, hatte die Ekuadorianerin gerade noch stolz berichtet, sie habe sogar Gedichte von Goethe gelesen. Doch an der Essensausgabe der Uni Duisburg-Essen kann sich die 22-Jährige keinen Reim auf dieses Wort machen: Cevapcici? Einer in der Schlange dreht sich um und gibt den entscheidenden Hinweis: „Cevapcici macht Muh.“
Zum ersten Mal in Europa
Sechs Wochen bleibt Johanna Bonilla in Essen, um gemeinsam mit rund 50 internationalen Studenten ihre Deutschkenntnisse zu verbessern und Deutschland kennen zu lernen. Aus elf Ländern der südlichen Erdhalbkugel sind die jungen Menschen angereist, viele sind zum ersten Mal überhaupt in Europa.
Angehende Ingenieure, Ärzte oder Juristen, Studenten der Politikwissenschaft oder Musik - alle haben sie ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) in der Tasche. 260 Studenten sind auf vier Universitäten verteilt. Am Essener Campus organisiert der Fachbereich Germanistik seit 1998 Räume, Tutoren und ein sechswöchiges Programm mit Exkursionen, Landeskunde und Interkultureller Kommunikation.
„In Deutschland Deutsch zu lernen, das macht die Sprache um ein Vielfaches realistischer“, sagt Katrin Bieck. Die Dozentin hat sich ans Pult in einem kleinen Seminarraum gelehnt. Hinter ihr steht „Konjunktiv II“ an der Tafel, das Thema: „Höfliche Anrede.“
"Die Ausbildung in Deutschland ist sehr gut"
Fürs Reden an sich muss mancher aber erst noch eine Hemmschwelle überwinden: Da dies erst der zweite Kurstag ist, scheuen sich einige, laut Deutsch zu sprechen. Deshalb hat Bieck die zwölf Studenten in Gruppen aufgeteilt - weil sie aus unterschiedlichen Ländern kommen, wird Deutsch auch ohne Aufsicht zur Alltagssprache.
Auf dem Tisch vor Gabriel Foar liegt ein DIN-A3-Blatt bedruckt mit einem Spielfeld, daneben ein Stapel kleiner Zettel, von dem sich der 20-jährige Brasilianer den obersten nimmt. Glückwünsche zum Führerschein, Können Sie mir den Salzstreuer reichen?, Komplimente zu einer neuen Bluse - mit seiner Teampartnerin aus Chile muss er innerhalb weniger Minuten Sätze passend zur Szene aufschreiben, dann gewinnen sie einen Punkt. Gabriel Foar gibt sich große Mühe. „Ich möchte in Deutschland promovieren.“ Er studiert Ingenieurswissenschaften, „die Ausbildung in Deutschland ist sehr gut“.
Schwierigkeiten mit den Zahlen
Und was ist das Schwierigste am Deutschen? „Die Zahlen“, sagt Raquel Oliveira aus Rio de Janeiro. Im Portugiesischen heiße es „20-und-eins“, nicht ein-und-20. „Ich muss immer erst nachdenken, bevor ich mein Alter sage.“
Raquel Oliveira steht nach dem Unterricht mit einer Gruppe Argentinier und Peruaner im Aufzug; auch sie wollen zur Mensa. Wofür steht aber das „E“? Und wer kennt den Weg? Einige Deutsche laufen an der Gruppe vorbei, nach dem Weg fragen die Gaststudenten aber nicht.
Denn bisher hätten sie noch kaum Kontakt zu jungen Deutschen gehabt, merkt Ana Karina Loiola aus Brasilien an. Alle DAAD-Studenten sind gemeinsam in einem Hotel untergebracht, sie sind auf Mensa, Studentenpartys und ihren eigenen Mut angewiesen, um Einheimische kennen zu lernen. „Lustig ist, selbst wenn man jemanden anspricht, ist der nicht immer deutsch.“
Im Dezember sei sie in Berlin gewesen, sagt die 23-jährige Studentin der Kommunikationswissenschaft, da habe sie viele Nationalitäten gesehen. „Deutschland ist so international, das finde ich toll.“