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Weil sie keine Zeit verlieren wollen, gehen kaum noch BA-Studenten ins Ausland. An der UDE steigt die Zahl aber

Jonas Trinkhaus ist die Ausnahme. Der 24-Jährige hat ein Jahr an der schwedischen Universität von Lund verbracht – das traut sich heute kaum noch einer. Zwar gehen immer mehr Studenten der Universität Duisburg-Essen (UDE) zum Studieren oder Arbeiten ins Ausland, um aber ja nicht zu viel Zeit zu verlieren, bleiben die meisten nur ein Semester. Und das bereiten sie bestens vor: „Ich kenne Studenten, die schreiben im vierten Semester 14 Klausuren, um im fünften ins Ausland gehen zu können“, sagt Trinkhaus.

Das war nicht im Sinne des Erfinders: Mit dem Umstieg auf die internationalen Bachelor- und Masterabschlüsse vor zwölf Jahren hatten sich Bildungsminister aus 29 Länder u.a. darauf geeinigt, dass während eines Auslandssemesters erbrachte Leistungen im Inland auch anerkannt werden. Die Studierenden sollten möglichst nichts nachzuarbeiten haben, sprich keinen zeitlichen Nachteil gegenüber denjenigen haben, die an der heimischen Uni geblieben sind.

Auch für Pflichpraktika immer häufiger ins Ausland

Eine Studie des Deutschen Akademischen Auslandsdiensts (DAAD) zeigt aber, dass das nicht gelungen ist: BA-Studierende klagen über Probleme bei der Anerkennung ihrer Leistungen und dem daraus resultierendem Zeitverlust. Die meisten bleiben deshalb mittlerweile lieber zu Hause.

Anders an der Uni Duisburg-Essen: 2010 haben 437 Studenten mehrere Monate im Ausland studiert oder gearbeitet; das ist rund 30 Prozent mehr als 2009. Die meisten von ihnen konnten das mit Hilfe des europäischen Austauschprogramms „Erasmus“ machen: Von 196 im Jahr 2005 ist ihre Zahl auf aktuell 317 angestiegen. „Grund dafür ist auch das obligatorische Auslandssemester, das in viele der neuen Bachelor-Studiengänge integriert wurde“, sagt Ira Terwyen, stellvertretende Leiterin des akademischen Auslandsamts. Da sie vor allem in den Geisteswissenschaften eingeführt wurden, sei der Anteil dieser Fachrichtung an den Erasmus-Studenten hoch.

Studis reden Klartext

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Cem (28), 8. Semester VWL:
Cem (28), 8. Semester VWL: "Am Anfang waren die Vorlesungen total überfüllt. Und manche Klausuren können nur einmal jährlich geschrieben werden, nicht einmal pro Semester. Da verliert man viel Zeit. Dafür ist die PC-Ausstattung in der Bibliothek gut." © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Simon (30), 6. Semester WiWi:
Simon (30), 6. Semester WiWi: "Das Bachelor-Studium lässt keinen Platz für etwas anderes. Man muss kontinuierlich lernen, auch am Wochenende, auch abends. Aber ich habe es so gewollt, aus meinem früheren Beruf als Bankkauffrau wollte ich ‘raus." © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Mneg (22), studiert Germanistik in Peking:
Mneg (22), studiert Germanistik in Peking: "Ich bin seit Herbst 2010 hier als Austausch-Studentin. Mir gefällt die Uni gut. Die meisten Kommilitonen sind nett. Also, fast alle. Am besten finde ich die Mensa, das Essen ist spitze." © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Japeth (34), 6. Semester WiWi:
Japeth (34), 6. Semester WiWi: "Ich bin Vater einer Tochter. Ich habe sie hier an der Uni im Kindergarten. Das ist super. Wäre die Uni nicht so familienfreundlich, hätte ich nicht noch studieren können. In Kamerun habe ich früher in einer Bank gearbeitet." © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Malte (25), studiert Primarstufe (Grundschul-Lehramt):
Malte (25), studiert Primarstufe (Grundschul-Lehramt): "Eigentlich nervt mich gar nichts an der Uni. Ich hätte ganz gern Lehramt nach dem Bachelor-/Master-System studiert, aber das fängt ja erst im Herbst an. Das Verschulte fände ich gut." © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Jörn (23), Lehramt Sport und Mathe:
Jörn (23), Lehramt Sport und Mathe: "Ich bin froh, dass ich noch das Lehramt-Studium nach alter Art studieren kann. Ich habe mich auch extra darum bemüht, das war für die Wahl des Studienorts entscheidend." © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Yeter (23), 6. Sem. Lehramt Germanistik:
Yeter (23), 6. Sem. Lehramt Germanistik: "Die Toiletten sind eine Zumutung. Die meisten sind sanierungsbedürftig, dreckig und kaputt. Die Türen kann man oft nicht schließen. Gut sind nur die neuen Klos im Audimax." © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
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Auch für Pflichtpraktika reisen Studenten immer häufiger ins Ausland. 2009 haben das 46 gemacht, 2010 waren es 66. Jeder zehnte UDE-Student, so Terwyen, habe ein Semester im Ausland verbracht. Damit liegt die Uni aber unter dem Bundesdurchschnitt: 2011 ist jeder fünfte Student des 5. oder 6. Semesters im Ausland gewesen. „Um die internationale Mobilität zu erhöhen, müssen die Strukturen besser werden“, so Terwyen. Das heiße auch: mehr Studiengänge mit Pflichtsemester.

„Der Auslandsaufenthalt bringt einen menschlich sehr weit"

Denn komplizierter wird der Auslandsaufenthalt vor allem dann, wenn ein Studierender außerhalb des Pflichtsatzes weggehen will: Ein ganzes Jahr wie Jonas Trinkhaus glauben sich die wenigsten leisten zu können. „Viele setzen sich unter Stress, arbeiten vor, weil sie nicht riskieren wollen, nicht mehr innerhalb der Regelstudienzeit ihren Abschluss machen zu können“, sagt er .

Einige der Kurse, die Jonas Trinkhaus in Schweden belegt hatte, wurden ihm an der UDE auch nicht voll angerechnet. Nun studiert er im siebten Fachsemester, die Regelstudienzeit des Studiengangs „Internationale Ingenieurswissenschaften“ hat er überschritten. „Das hätte ich wahrscheinlich sowieso.“

Ein Risiko, das er bewusst eingegangen sei - und jedem ans Herz legt: „Der Auslandsaufenthalt bringt einen menschlich sehr weit, deshalb glaube ich nicht, dass ich durch die längere Studienzeit Nachteile haben werde.“