Essen. Wie die Schulte-Zurhausens aus Borbeck zur Großfamilie wurden: Der Schüleraustausch des Sohnes bringt den Kontakt nach Ecuador, ein Patenkind und neue Sichtweisen.
Während die lauten Spendenaufrufe nach Weihnachten verklingen, spendet Familie Schulte-Zurhausen weiter jeden Monat an das Kinderhilfswerk Plan. Denn die Borbecker haben seit fünf Jahren ein Patenkind in Ecuador. Gabriela feiert in wenigen Tagen ihren siebten Geburtstag. Wie ihr Patenkind lebt, weiß Familie Schulte-Zurhausen seit einem Besuch im Vorjahr. „Keine Erzählung kann das vermitteln, was wir vor Ort erlebt haben“, sagt Nikolai Schulte Zurhausen (51), der als Sachgebietsleiter bei der Polizei arbeitet.
Erzählt hat ihnen ihr Sohn Kolja (25) schon zuvor von der Armut in Ecuador, denn er lebte als 16-Jähriger ein Jahr als Austauschschüler in dem südamerikanischen Land. Für ihn sei es das beste Jahr gewesen, für sie alle änderte es mehr als ihre Sichtweisen. Sie haben selbst so manchen Austauschschüler beherbergt. Und kommen die inzwischen erwachsenen Kinder der Gastfamilie ihres Sohnes nach Borbeck, dann werden Ulla und Nikolai Schulte-Zurhausen zu „Papi Niko und Mami Ulli“. Als die Familie in Ecuador ihr erstes Enkelkind ankündigte, da rief Kolja in Borbeck: „Ich werde Onkel“, erzählt seine Mutter Ulla Schulte-Zurhausen, die als Tanzpädagogin eine Ballettschule leitet.
Ein kleines Abenteuer
Die 49-Jährige war es, die vor dem Weihnachtsfest 2006 mit ihrem Mann über Geschenke grübelte. Dann lag zwar nichts unter dem Baum, aber Gabriela freut sich seit dem Fest über die Unterstützung der Familie. Für die war sofort klar: Es muss Ecuador sein. Mit ihrer Hilfe ist in ihrer Region eine Schule entstanden, die 1200 Kinder besuchen. „Uns ist wichtig zu wissen, wo das Geld landet“, sagt der dreifache Familienvater. Ebenso wichtig sei die Bindung, die zu dem Kind entstanden sei.
Sie schrieben sich zunächst Briefe, schickten sich Fotos über die Organisation, von der es regelmäßig Info-Post gebe. Aber es stand fest, dass sie Gabriela persönlich kennenlernen wollen. Den Besuch der südamerikanischen Gastfamilie verbanden sie also mit einem Abstecher zum Patenkind, der sich als kleines Abenteuer erwies. Mit zwei Begleitern des Kinderhilfswerks und einem geliehenen Jeep ging es in Ecuador zwei Stunden lang die Berge hinauf und hinunter.
Andauernde Partnerschaft
Dann saßen sie in dem kleinen karg eingerichteten Haus um einen steinernen Tisch. Kolja und Kira Schulte-Zurhausen waren mit ihren blonden Haaren die Attraktion. Gabriela guckte sie mit großen Kulleraugen an, umarmte Kira später immer wieder. „Wir müssen ihnen mächtig europäisch vorgekommen sein“, sagt deren Vater. „Die Hemmschwelle, etwas zu fragen, war groß“, beschreibt seine Frau. Unbeschreiblich hingegen seien die Gefühle gewesen, die sie alle übermannt hätten.
Als Gastgeschenk brachten sie auf Rat des Hilfswerks kiloweise Zucker, Mehl und Reis mit, bekamen selbst zehn Kilo handgepflückte Bohnen, erinnert sich die Borbeckerin. Sie nahmen aber vor allem die Bilder des Erlebten mit, die Eltern, die Kinder, die Wohnsituation. „Das holt einen doch auf den Boden.“ Es helfe, sich selbst zu hinterfragen. Die Hilfe unter den Menschen habe sie beeindruckt, während viele im Wohlstand dazu neigten, sich zu isolieren. Überwältigt habe sie die Gastfreundschaft. Sie haben als Paten auch nicht das Gefühl gehabt, dass Gabrielas Familie sich vorgeführt fühlte, um Spenden zu sichern. Sie seien vielmehr neugierig gewesen. Zwei Stunden haben sie miteinander verbracht. Die Patenschaft wird andauern: Sie ist bis zu Gabrielas 18. Geburtstag möglich. Erst dann könnten Schulte-Zurhausens sie nach Borbeck einladen. Ob sie das tun werden? Eher nicht, denn mit den 2000 Euro allein fürs Flugticket könnten sie besser ihre Ausbildung unterstützen. Den Kontakt wollen sie auf jeden Fall auch dann halten. So wie zu den Gasteltern samt Anhang. Bilder der Großfamilie schmücken die Häuser: in Essen und Ecuador.