Essen. 100-Tage-Bilanz: Der neue Leiter der Alten Synagoge, Uri Kaufmann, will die Donnerstagsgespräche reformiert fortführen und auch sonst manches ändern. Im Konflikt um das „Lehrhaus“ gibt es noch keine Einigung. Kaufmann will die Veranstaltung absetzen, weil sie „nicht mehr ins Konzept“ passe.
Gut getan hat der Alten Synagoge offensichtlich die Wandlung zum „Haus der jüdischen Kultur“: 75 000 Besucher hat es seit der Neueröffnung im Juli 2010 gegeben, 600 Führungen mit Teilnehmern aus allen Teilen Deutschlands hat das Haus registriert. „Es gibt eine hohe Akzeptanz“, bilanzierte jüngst erfreut Kulturdezernent Andreas Bomheuer, der so fair war, dies mit einem anerkennenden Lob an die Adresse der inzwischen pensionierten früheren Leiterin Edna Brocke zu verbinden. Gleichzeitig stellte der Neue an der Spitze des städtischen Hauses, Robert Uri Kaufmann, nach nun rund 100 Tagen im Amt, seine künftigen Schwerpunkte vor.
Publikumswirksame Veranstaltungen wie die stadtweit bekannten „Donnerstagsgespräche“ sollen erhalten bleiben, die Auswahl der Referenten wird aber künftig erkennbar weniger davon geprägt sein, ob sie in der bundesdeutschen Debatte mit provokanten Thesen aufgefallen sind. Der Historiker Götz Aly etwa, einer der letzten Vortragenden der alten Ära, zog zuletzt immerhin 250 Besucher an.
„Insgesamt muss die Alte Synagoge mehrsprachiger werden“
Der Schweizer Bürger Kaufmann hat am 19. Januar als erstes einen Landsmann zum Vortrag gebeten: Nationalrat Andreas Gross aus Zürich berichtet über „Erfahrungen, Analysen und Perspektiven rund um die Direkte Demokratie“, eingeführt wird er vom Vizepräsidenten des NRW-Landtags, Oliver Keymis (Grüne). Ein politisches Signal ist damit laut Kaufmann aber nicht verbunden: „Der Zufall will es, dass in Deutschland die direkte Demokratie ein Anliegen der Grünen ist.“ Er, Kaufmann, sei aber ebenfalls stolz auf diese Schweizer Errungenschaft und schwärmte davon, dass er einst in seinem Heimatort einen 700 Meter langen Radweg plebiszitär durchgesetzt habe.
Eine neue Vortragsreihe passt gut zur Dauerausstellung: „Zeitgenössisches Judentum“ wollen Referenten aus dem In- und Ausland interessierten Zuhörern nahebringen, dies in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule. Die Ausstellung selbst will Kaufmann hie und da ergänzen, im Wesentlichen aber weiterführen. Ein Katalog sowie ein Audio-Guide seien in Vorbereitung. Insgesamt müsse die Alte Synagoge mehrsprachiger werden und sich so auf ihr ein internationales Publikum einstellen. Auch Wechselausstellung soll es geben, die erste mit einer jüdischen Künstlerin aus Berlin ist ab 26. April geplant.
Synagoge in Schwarz-Weiß
Informationen über Vielfalt des Judentums in die Schulen tragen
Ein besonders Anliegen ist für Kaufmann, Informationen über die Vielfalt des Judentums in die Schulen zu tragen. Mit Betrübnis habe er festgestellt, dass nicht einmal mehr am Burggymnasium Hebräisch gelehrt werde. Der Synagogen-Leiter überlegt, selbst lehrend Hand anzulegen. Judenfeindlichen Stereotypen im Islam will Kaufmann mit mehr Dialog vor Ort und Einladungen ins Haus begegnen. Viele wüssten nicht, wie stark das Judentum historisch den Islam geprägt habe.
Noch nichts Neues gibt es im Konflikt um das „Lehrhaus“. Wie berichtet, hatte Kaufmann die Arbeitsgruppe und ihren Leiter Eberhard Kerlen unter anderem mit der Begründung des Hauses verwiesen, er wolle gerne jüngere Leute in der städtischen Kultureinrichtung haben. Ein klärendes Gespräch ist noch vorgesehen. Kaufmann machte allerdings noch einmal deutlich, dass Kerlen nicht mehr in sein Konzept passe, eine Trennung folglich unabdingbar sei und ihm auch zugestanden werden müsse. Letzteres sieht Bomheuer ähnlich.