Essen. .
Uri Kaufmann, neuer Leiter der Alten Synagoge in Essen, spricht über Islamkritik, den Charakter des Hauses und die künftige Ausrichtung.
Zurzeit beschäftigen ihn ganz profan marode Regenrinnen im Synagogengarten, die man versäumt hatte, beim Umbau des Hauses zu erneuern. Folge: Uri Kaufmann, der neue Leiter der Alten Synagoge, muss sich mit Schimmel im Seminarraum herumschlagen. „Wir sind ein kleines Haus, da muss jeder Mädchen für alles sein“, sagt der 54-jährige Historiker. Ein Gespräch.
Wie schätzen Sie die Bedeutung der Alten Synagoge unter den jüdischen Museen und Gedenkstätten ein?
Das Besondere ist der Akzent auf die zeitgenössische jüdische Kultur, und das halte ich für eine gute Konzeption. Damit stehen wir ziemlich einmalig da - das zeigt ja auch der gute Zuspruch von bis jetzt immerhin 32 000 Besuchern. Dass die Alte Synagoge nicht in einer Liga mit dem Jüdischen Museum in Berlin spielen kann, ist klar. Es ist aber mein Anliegen, das Haus überregional zu profilieren, durchaus auch mit Strahlkraft ins benachbarte Ausland. Zunächst geht es aber darum, das Potenzial innerhalb der Stadt auszuschöpfen. Den Kontakt zu den Schulen zu systematisieren, ist mir dabei ganz wichtig.
Die Umwandlung von einer Gedenkstätte zum Haus der jüdischen Kultur war dennoch nicht unumstritten.
Ich setze, abgesehen von einzelnen Präzisierungen, ganz klar auf Kontinuität. Warum soll man nach anderthalb Jahren eine Ausstellung grundlegend ändern, zumal wenn sie erfolgreich ist.
Ist die Alte Synagoge in Essen gut verankert?
Ja, diesen Eindruck habe ich nach nur sechs Wochen bereits gewonnen. Es ist viel Interesse da, man kennt das Haus. Ich bin neulich mit Menschen in der S-Bahn ins Gespräch gekommen und war überrascht, wie viel diese über die Alte Synagoge wussten.
Manchem galt das Haus unter Ihrer Vorgängerin Edna Brocke als zu islamischkritisch. Wie sehen Sie das?
Man darf delikate Fragen besprechen, das soll so bleiben. Natürlich gibt es judenfeindliche Klischees in arabischen Familien, auch in türkischen, da spielt sicher die große Politik eine Rolle, die Konflikte im Nahen Osten. Die Alte Synagoge, die Kultur des Judentums und die Politik des Staates Israel werden in einen Topf geworfen. Gerade muslimischen Jugendlichen muss deutlich gemacht werden, dass sie zu differenzieren haben.
Wie wollen Sie das schaffen?
Kontakt zu bekommen ist nicht so einfach, weshalb mir daran gelegen war ein Zeichen zu setzen. Ich bin noch vor dem Amtsantritt zum Fastenbrechen in eine Moschee gegangen und freue mich darüber, dass die Kommission Islam und Moscheen in Essen Ende Oktober die Alte Synagoge besuchen wird - wahrscheinlich zum ersten Mal in der Geschichte des Hauses. Dennoch wird es deutliche Worte geben. Immerhin hat das Haus zwei Angriffe durch muslimische Jugendliche erlebt. Ich möchte, dass der durchschnittliche muslimische Jugendliche in Essen Basiswissen über das Judentum erhält. Es gibt mehr historische Berührungspunkte zwischen Judentum und Islam als viele meinen.
Es gibt also einen Neustart?
Ja, ich finde, man sollte mit den Menschen sprechen. Ich erwarte allerdings auch, dass Muslime dieses Haus besuchen. Ein Boykott, nur weil die Alte Synagoge so heißt wie sie heißt, ist inakzeptabel.
Immerhin gipfelte im Mai 2011 ein Konflikt um einen Islam-kritischen Referenten im Vorwurf von Muslimen, dieses Haus säe Hass.
Das erscheint mir doch sehr dick aufgetragen. Ich kenne die näheren Umstände nicht, es muss da eine längere Vorgeschichte gegeben haben. Man sollte immer miteinander und nicht übereinander sprechen.
Der Oberbürgermeister verlangte, die Alte Synagoge solle integrativer agieren.
Ein solches Haus sollte nicht polarisieren. Das heißt aber umgekehrt nicht, dass ich fürs Weichspülen von Inhalten eintrete und Friede-Freude-Eierkuchen verbreiten will.
Die Alte Synagoge wird also streitbar bleiben?
Ja. Ich finde, man soll durchaus Probleme ansprechen und sie allerdings konkret benennen. In der Reihe Donnerstagsgespräche etwa muss jeder Referent natürlich fachlich kompetent sein. Streiten kann man dann immer noch. Aber wenn das Fachliche fehlt, dann fehlt die Basis.
Gab es in der Alten Synagoge Referenten, die nicht kompetent waren?
Die Antwort auf die Frage muss ich Ihnen überlassen. Was vor dem 1. September war, möchte ich nicht im Detail kommentieren.
Wird es die Reihe Donnerstagsgespräche in der kontroversen Form weiter geben?
Ja. Und natürlich wird das Thema Islamismus auch weiterhin eine Rolle spielen. Ich würde es allerdings für falsch halten, sich allein darauf zu konzentrieren. Ich habe beispielsweise für 2012 einen ehemaligen Schweizer Nationalrat eingeladen, der einmal etwas über direkte Demokratie sagt - auch das ein Thema von hoher Brisanz. Es wird ein Theologe über das zweite vatikanische Konzil reden, was ebenfalls eine hochpolitische Sache ist. Und sehr aktuell.
Wie steht es mit dem Verhältnis zwischen der Essener jüdischen Gemeinde und der Alten Synagoge?
Ich habe mich dort vorgestellt und war an den Feiertagen da. Wir können gewiss voneinander profitieren. Allerdings ist die Alte Synagoge keine zweite jüdische Gemeinde. Sie ist ein Kulturinstitut der Stadt, das Informationen über das Judentum vermittelt.