Essen. . Seit drei, vielleicht vier Tagen herrscht Ausnahmezustand in Essen. Im Internet kursieren Meldungen und Fundortlisten von vergifteten Hunde. In Panik kaufen Hundebesitzer Maulkörbe und suchen Rat beim Tierarzt. In Essen ist bislang ein Fall bekannt, in dem ein Hund Rattengift fraß.

Seit drei, vielleicht vier Tagen herrscht Ausnahmezustand. Kein Schnüffeln an Mülleimern, kein Streunen durchs Gebüsch. Ständig schwingt bei Hundebesitzern die Angst mit, weggeworfene, ausgelegte Lebensmittel könntet mit Rattengift oder scharfen Klingen gespickt sein.

Das ist Thema beim Spaziergang, es beherrscht die Gespräche in der Hundeschule und beim Tierarzt. Immer mehr Kunden greifen im Zoo Becke an der Rellinghauser Straße zu Maulkorb und -schlaufe, „damit die Hunde beim Spaziergang keine Köder aufnehmen können“, sagt Mitarbeiter Sven Schürmann. „Stark verunsichert“ seien die Menschen. Manche weinten gar.

Und so laufen bei der Polizei die Drähte heiß, weil besorgte Bürger wissen wollen: Was ist da los? Wer legt da Köder aus? Und in welchen Stadtteilen? Doch Polizeisprecher Raymund Sandach hat auf all die besorgten Fragen keine beruhigenden Antworten, ach, er hat gar keine Antworten. „Uns liegt noch nicht eine einzige Anzeige vor. Weder hat uns jemand den Fund eines Giftköders gemeldet, noch den Tod eines Hundes.“ Dabei ist der Mann mitfühlend. Man darf ihm glauben – die Polizei würde tätig werden, hätte sie Anhaltspunkte.

Fundstellen werden genannt in Essen, Velbert, Hattingen

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Die gibt es bislang vorwiegend im Internet. Von sechs getöten Hunden binnen acht Tagen allein im Essener Süden ist die Rede. Fundstellen werden genannt in Essen, Velbert, Hattingen. Doch der Velberter Polizei liegen weder Informationen noch Anzeigen vor. Dafür berichtet die Hattinger Polizei, der Besitzer eines in Niederwenigern vergifteten Berner Sennenhundes habe Anzeige erstattet.

Von diesem Fall weiß auch Sonja Grüter, die in Essen die Hundeschule „Sitz, Platz, Steh“ betreibt. „Bei der gleichen Hattinger Tierärztin ist ein weiterer Hund eingeschläfert worden“, sagt Grüter. Auch er starb an Rattengift.

Von einem dritten Fall weiß der Essener Tierarzt Hans-Jürgen Apelt zu berichten. Er behandelte erfolgreich einen Labrador. Die Besitzer leben im Essener Süden. Wo allerdings der Hund das Rattengift fraß, ist unklar.

Denn die Symptome zeigen sich nicht unmittelbar. Zwischen sechs Stunden und zwei Tagen könne es dauern, bis innere Blutungen einsetzten und die Besitzer bemerkten, dass mit dem Tier etwas nicht stimmt. „Wenn es in die Lunge blutet, kriegt der Hund schlecht Luft, manche Tiere haben Blut im Stuhl.“ Fälle, in denen man oft noch helfen könne. Doch es könne auch zu Hirnblutungen kommen, „dann merken die Besitzer von den Symptomen überhaupt nichts und der Hund stirbt“, sagt Apelt, dem in den vergangenen Tagen immer wieder verunsicherte Besitzer ihre Tiere in die Praxis brachten – ohne dass sich der Vergiftungsverdacht bestätigte.

„Was da gerade passiert ist eindeutig überzogen“

Von einem weiteren Fall erzählt man sich in Heisingen. Persönlich kennt Anita Stens, Betreiberin der Hundeschule „Traumpfote“ den Besitzer nicht. Aber es ist wie angesichts der allgemeinen Verunsicherung so oft: Es gibt jemanden, der jemanden kennt, dessen Hund betroffen ist – näheres weiß man nicht.

Dafür kennen viele Hundebesitzer eine Liste, die mehr als ein Dutzend Fundorte nennt. Tausendfach geklickt ist sie auf Martin von der Gathens Internetseite www.burgaltendorf.de und auf Facebook. Ausdrucke hängen an Bäumen, darauf ist nachzulesen, dass Köder in Heisingen, Burgaltendorf, Freisenbruch, Kupferdreh und Steele lagen. Wie Martin von der Gathen an die Informationen kam. „Gar nicht. Ich habe sie für die Hundeschule ,Sitz, Platz, Steh’ veröffentlicht.“

Besitzerin Sonja Grüter wiederum stellte auf der Liste zusammen, was ihr zugetragen wurde. Sensibilisieren wolle sie, damit nicht noch mehr Hunden etwas passiert. Doch die Informations-Maschinerie lässt sich nun kaum mehr stoppen, versetzt immer mehr Besitzer in Angst – und Wut. So erhält Sonja Grüter nun Drohanrufe von Menschen, die ihr Panikmache vorwerfen. „Was da gerade passiert“, sagt Tierarzt Apelt, „ist eindeutig überzogen“. Doch wachsam solle man sein – ganz wie der Hund.