Essen. . Schwanger mit 15: Für Anna war das erstmal ein Schock. Heute packt sie ihren Alltag mit Baby und Schule, auch wenn manchmal Schlaf und frühere Freunde fehlen.

Abitur, Studium, den Mann fürs Leben finden, eine Familie gründen. Anna* hatte ganz klare Vorstellungen für ihr Leben. Jetzt steht das Mädchen mit den langen, blonden Haaren am Kinderwagen und reicht der kleinen Laura* die Flasche. Es ist ihre Tochter, die nun dreieinhalb Monate alt ist. Anna ist 16.

Mit 15 wurde sie schwanger. Doch, sie habe verhütet. „Aber anscheinend nicht richtig“, sagt sie heute und lächelt zurückhaltend. Nein, geplant war der Nachwuchs nicht, nicht in dem Alter: „Das wäre ja naiv und dumm gewesen“, sagt Anna. Die zuerst an eine Magen-Darm-Geschichte glaubte. Die Ärzte vermuteten eine Entzündung. Als Anna dann erfuhr, dass sie schwanger ist, war es erstmal ein Schock. „Ich musste das sacken lassen.“ Dann war es so unwirklich, als der Bauch wuchs und da ein „Baby drin sein sollte.“

Vater ist Vormund des Kindes

Ihr Freund (18) besuchte später den Schwangerschaftskurs mit ihr. Sie waren die jüngsten. Zuerst aber sprachen sie mit den Mitarbeitern einer Beratungsstelle. Dann folgten die Eltern. Seine seien nicht so begeistert gewesen. Ihre freuten sich schnell. „Weinend habe ich es erst meinen Papa erzählt“, sagt Anna. Alles war gut, sie gingen Eisessen, erinnert sie sich. Dabei hat die 16-Jährige ganz schön Angst gehabt. „Schmeißen sie mich raus?“ „Vielleicht wollen sie nichts mehr mit mir zu tun haben“, all das schoss ihr durch den Kopf. Heute ist ihr Vater der Vormund des Kindes.

Nur bei ihren Eltern wohnen bleiben konnte Anna nicht, weil beide berufstätig sind, und die Tochter die Schule nicht länger als nötig unterbrechen wollte. Das Jugendamt schlug zwei Jahre Auszeit vor, erzählt sie. Sie ging nach sieben Wochen wieder hin. Hätte sie länger gefehlt, dann wäre der Einstieg schwieriger geworden, ist sie überzeugt.

Im Alltag mit dem Baby bekommt sie nun Unterstützung, denn sie ist schon während der Schwangerschaft in ein Appartement der Wohngruppe Teen+Baby eingezogen. Auch wenn Laura bis morgens um fünf Uhr weint, weil sie Bauchschmerzen hat, kann ihre Mutter eine Erzieherin oder Krankenschwester um Hilfe bitten.

Lernen, wickeln, nachts kaum schlafen.

Die erste Woche mit Schule und Baby hat auch funktioniert. Dann kam das tiefe Loch. Lernen, wickeln, nachts kaum schlafen. Anna wurde krank. Berappelte sich aber nach einer Woche wieder. „Es ist immer noch anstrengend um halb sechs aufzustehen, wenn ich erst um zwei einschlafe“, sagt sie. „Pech gehabt.“ In der Schule muss sie trotzdem fit sein. Und wenn nach so einer Nacht eine Klausur ansteht, dann schreibt sie die mit und hofft das Beste.

Auch im Umgang mit ihrem Baby hat Anna lernen müssen, um unterscheiden zu können, warum es schreit. „Ich wusste nicht, ob sie gewickelt oder gefüttert werden will, ob ihr was wehtut oder sie kuscheln will“, sagt sie. Sie habe erstmal einfach alles gemacht, irgendwas war immer richtig, sagt sie, während sie das Baby aus dem Wagen hebt.

Wenn sie heute einkaufen geht, dann ist Laura dabei. Die schreit ganz schön, wenn Mama in der Umkleide verschwindet. „Manchmal muss ich auch aus der Dusche springen“, sagt Anna. Traurig mache sie aber nur, dass sie viele Freunde verloren hat. Die interessieren sich nicht mehr, wenn man nie Zeit habe. Mit denen habe sie als Mutter nicht mehr so viel gemeinsam. Während die gleichaltrigen Mädchen über den süßen Typen aus der Parallelklasse tuscheln, schlägt sie sich mit Blähungen ihres Babys rum. Ihren Malunterricht hat Anna aufgegeben. Fürs Trampolinspringen bleibt keine Zeit. Statt stundenlang wie früher mit der Freundin am Telefon zu quatschen, würgt sie die oft schnell ab, weil Laura essen will.

„Das Schönste ist, wenn sie anfängt zu lachen“

Nur in der Schule, da ist Anna noch Teenager, sagt sie. Einmal im Monat darf sie ausgehen. Wenn sie den Haushalt oder Hausaufgaben machen will, dann wartet sie, bis Laura schläft. „Ohne sie will ich nicht mehr leben“, sagt die junge Mutter. Für ihre kleine Tochter würde sie alles tun. Das Gefühl sei gleich nach der Geburt da gewesen. „Das Schönste ist, wenn sie anfängt zu lachen“, sagt Anna.

Was sie ärgert, sind blöde Blicke und Vorurteile. „Viele kennen nur die schlimmsten Fälle von Teenie-Müttern aus dem Fernsehen.“ Auch in der Schule habe sie ein Mitschüler mal Schlampe genannt. Das hat sie verletzt. „Man muss doch nicht mit zehn Jungs schlafen, um schwanger zu werden“, wehrt sie sich. Lauras Vater ist ihr erster Freund. Er besucht sie am Wochenende, manchmal in der Woche. Abends geht er zur Schule, will danach eine Lehre machen.

Anna hat ein Berufskolleg gefunden, an dem sie Abi und gleichzeitig ihre Erzieherausbildung machen kann. Irgendwann wird die kleine Familie zusammenziehen, sagt Anna. Und heiraten? Das habe Zeit: „Wir sind ja noch so jung.“