Essen. .
Oberbürgermeister Reinhard Paß hat Kämmerer Lars Klieve die Zuständigkeit fürs Personal entzogen. Der fühlt sich ungerecht behandelt. Ohne Zweifel ist die Angelegenheit ein Affront und ein seltsamer Wandel im Verhältnis zwischen OB und Kämmerer.
Wie schnell sich manches doch ändert. Gerade mal ein paar Monate ist es her, als der Glaube in die Leistungskraft des Kämmerers schier grenzenlos war und sowohl der Oberbürgermeister wie auch die SPD-Ratsfraktion gar meinten, Lars Martin Klieve (CDU) könne doch gut das Personalressort auf Dauer mitübernehmen. Und nun das: „Entgegen meiner bisherigen Einschätzung“, so Reinhard Paß in einer Mitteilung vor einigen Tagen, sei Klieve überlastet und solle sich ab sofort doch besser auf den Haushalt konzentrieren. Er, Paß, werde neben seinen anderen Aufgaben die Verantwortung für das Personal vorläufig schultern.
Seltsamer Wandel
Ohne Zweifel ein Affront und ein seltsamer Wandel im Verhältnis zwischen OB und Kämmerer, die bislang trotz unterschiedlicher Parteifarben durchaus glaubhaft den Eindruck besten Einvernehmens erweckten. Bei der CDU-Fraktion ist man auch deshalb erstaunt über Paß, da in der November-Sitzung des Rates ein neuer Personaldezernent gewählt werden soll und Klieve das kommissarisch verwaltete Ressort dann ohnehin abgegeben hätte.
„Eine der typischen einsamen Entscheidungen des OB“, heißt es in der CDU-Spitze. So einsam war sie aber wohl gar nicht. Zumindest Kai-Uwe Gaida hat dabei eine gewisse Rolle gespielt. Der Vorsitzende des städtischen Personalrats rühmt sich, das Ohr des OB zu haben, und macht im WAZ-Gespräch kein Hehl daraus, dass er sich als Sieger eines Machtkampfs sieht, der im Stil zwar ruhig, in der Sache aber knallhart gewesen sei.
„Der Dezernent hat Entscheidungen getroffen, von denen wir nicht überzeugt waren“, betont Gaida. Nun sind Konflikte zwischen Personal-Verantwortlichen und Personal-Interessenvertretern gewiss das normalste der Welt. Recht speziell ist aber, was dann passierte: „Wir sind eine Etage höher gegangen“, so Gaida nicht ohne Behagen, „und den OB konnten wir dann mit unseren Argumenten überzeugen. Da gilt dann: Ass sticht König.“
„Der OB sah das genauso wie wir“
Besonders verärgert hat den Personalrat, dass Klieve im neuen Haushaltsentwurf im Personaletat ein Einsparvolumen von drei Millionen Euro festschreiben wollte, wobei er hier unzweifelhaft in seiner Funktion als Kämmerer tätig wurde. „In einer Situation mit vielen unbesetzten Stellen und einer Arbeitsüberlastung der Verwaltung ist das einfach unmöglich“, befand aber Gaida. Der dann folgende Appell an den obersten Dienstherrn , der sich sonst wie Klieve gerne als Mann des Sparens darstellt, blieb nicht vergebens. „Der OB sah das genauso wie wir.“
Die FDP stellt sich derzeit quer
Das Viererbündnis im Rat, bestehend aus CDU, Grünen, EBB und FDP, hat die Neubesetzung der Stelle des Personaldezernenten mit Mehrheit durchgesetzt und will nun auch den Stelleninhaber bestimmen. Genau 22 Bewerbungen sollen eingegangen sein, darunter befindet sich auch der, dem gute Chancen eingeräumt werden: Christian Kromberg (CDU). Der Leiter des städtischen Rechtsamts und frühere Chef von Wolfgang Reinigers OB-Büro gilt als respektabler Kandidat, mit dem auch die SPD und der Personalrat leben könnten. Problem: Die FDP-Fraktion schert derzeit aus, möchte endlich einmal einen Liberalen im Verwaltungsvorstand sehen und weigert sich, Kromberg zu nominieren. Bei der CDU hofft man, dass dies nicht das letzte Wort ist. Denn ein Liberaler gilt im Rathaus in dieser Funktion als schwer vermittelbar.
Auch bei weiteren, wie Gaida meint, „Fehlentscheidungen“ Klieves, habe Reinhard Paß sich als Korrektiv betätigt. „Über Details will ich nicht sprechen, es ging um eine Reihe von Einzelfällen, um einzelne Menschen“, erklärt der Personalratschef. Paß sei seiner „Fürsorgepflicht“ jeweils gerecht geworden, heißt es lobend. Es habe sich eben einfach als falsch herausgestellt, so Gaida, den von striktem Sparwillen beseelten Kämmerer die Personalverantwortung anzuvertrauen.
Paß nimmt die Sache selbst in die Hand
Bei derart vielen Korrekturen hielt es der oberste Korrektor Paß jedenfalls für geboten, selbst das Heft in die Hand nimmt, statt ein ums andere Mal dem Kämmerer in die Parade zu fahren. Paß-Versteher weisen darauf hin, der OB könne kaum anders als in dieser Frage gegen Klieve Partei zu ergreifen, da das städtische Personal für ihn eine unentbehrliche Machtbasis darstelle. Im Rat wähne sich Paß weiter von lauter Oppositionsfraktionen umstellt, die ihm nicht wohlgesonnen seien.
Klieve selbst („als guter Beamter bin ich loyal zum Dienstherrn“) schweigt zu den Vorgängen. In seiner Partei erzählt man sich aber, der Kämmerer sei sehr vergrätzt, halte die faktische Maßregelung für ungerecht und falsch. Das einst so harmonische Verhältnis zu Paß habe Schaden genommen. Die CDU sieht sich im übrigen in der Ansicht bestätigt, wonach „der OB wieder mal als der oberste Betriebsrat auftritt“, wie es heißt.
Eine größere Debatte vom Zaun brechen will man dennoch nicht. Bei der Unterrichtung der Fraktionschefs über den Fall Klieve soll Paß klar gestellt haben, dass er die direkte Verantwortung fürs Personal wieder abgebe, sobald ein neuer Dezernent gewählt ist. Da die CDU sich Hoffnungen auf den Posten machen kann, war sie’s zufrieden.