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Messestadt Essen? Einkaufsstadt Essen? Städte dürfen nach Beschluss des Landtags künftig auf den Ortsschildern einen Beinamen anbringen. Die Essener sollen online Vorschläge machen. Herbert Knebel hält davon gar nichts, findet Zusätze „provinziell“.

Die Stadt will die Bürger zur Abstimmung rufen: Sie sollen online darüber entscheiden, ob und wenn ja mit welchem Namenszusatz die Ortseingangsschilder versehen werden sollen. „Einkaufsstadt, Energiestadt, Großstadt für Kinder, Universitätsstadt - Essen hat so viele Attribute“, sagt Stadtsprecher Detlef Feige. „Wir wollen nicht darüber bestimmen, womit wir nach außen auftreten, sondern dazu die Essener selbst befragen.“

Anlass für die geplante Bürgerbeteiligung ist ein Beschluss des Landtags von Mittwochabend, der es nordrhein-westfälischen Kommunen in Zukunft ermöglicht, mit Zusätzen auf den Ortsschildern Eigenwerbung zu betreiben. In einigen anderen Bundesland ist das schon möglich; bald wird man auch auf Schildern in NRW Griffiges wie „Domstadt Köln“ und Sperriges wie „Hagen, Stadt der Fernuniversität“ lesen.

Essen habe die „nicht ganz neue“ Idee zwar nicht selbst eingebracht, aber mit Sympathie begleitet, erklärt Feige. Er sehe freilich, dass die Vielfalt der Stadt eine Profilierung erschwere. „Wir sind nicht ,Tor zur Welt’ wie Hamburg oder gar ,Big Apple’ wie New York.“ Geblieben sei der Titel „Kulturhauptstadt“, dem man auch kein „a.D.“ anfügen müsse, sondern nur die Jahreszahl 2010. „Damit werben wir weiter auf unseren Briefbögen.“

Schilder werden erst ausgetauscht, wenn Verschleiß es nötig macht

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Von Christina Wandt

Befürchtungen, eine Umgestaltung der rund 100 Ortseingangsschilder könne zu kostspielig werden, weist Feige zurück. Zwar koste ein Schild gut 100 Euro, „doch wir würden die erst austauschen, wenn es der Verschleiß nötig macht“. Vorher könnte man die Schilder mit ergänzenden Aufklebern bestücken.

Die Resonanz auf die jüngste Online-Befragung der Stadt sei äußerst dürftig gewesen, räumt Feige ein. „Aber diesmal soll es ja nicht um Sparvorschläge gehen, sondern um ein leichtes, nettes Thema“. Bei dem es aber gewisse Vorgaben zu beachten gilt, schon weil man am Ende das Plazet des Innenministers benötigt, um den ausgewählten Zusatz tatsächlich auf Schilder zu prägen. Kalauer à la „Essen - ist fertig“ verbieten sich.

„Wenn die Vorschläge durch alle Instanzen sind, kommt vermutlich wieder nur Mittelmaß heraus – oder Krampf“, befürchtet Christian Stratmann, überzeugter Essener und Prinzipal des Mondpalasts in Wanne-Eickel. Etiketten wie „Bottrop, Innovation City“ halte er für peinlich. „Deswegen fährt doch keiner nach Bottrop. Und wenn ich das auf dem Ortsschild lese, bin ich sowieso schon da.“

„Essen: grau, aber immerhin“

Essen habe sowas nicht nötig, glaubt Stratmann. „Das ist eine tolle Stadt. Wer mit dem Namen allein nichts anfangen kann, dem ist nicht zu helfen.“ Wenn überhaupt müsse man die Sache mit Humor angehen. Wie vor Jahren der Essener Professor und Werber Vilim Vasata: „Essen: grau, aber immerhin.“ Auf große Gegenliebe sei der Slogan nicht gestoßen. „Aber der hatte Mut!“

Nicht mit Mut oder Selbstironie, sondern mit Konsequenz hat das kleine Haltern sich vor einem Jahrzehnt in „Haltern am See“ umbenannt. So steht es nun auf Schildern und Homepage, am Bahnhof und auf Briefköpfen, so geht es 38 000 Einwohnern selbstverständlich über die Lippen. Wie sagt Stadtsprecher Georg Bockey: „Diejenigen, die nur Haltern sagen, sterben aus.“

Schwer vorstellbar, dass sich bei der für 2012 geplanten Online-Befragung ein ähnlich prägnantes Attribut für Essen findet. Der Essener Uwe Lyko – bekannt als Herbert Knebel – befindet darum knapp: „Ich bin gegen so alberne Zusätze, weil die eher ein provinzielles Bild einer Stadt vermitteln.“

Zusatz für Essen?

Fabian Schill, 27 Jahre: Für den Namenszusatz Universitätsstadt wird für Studenten in Essen zu wenig angeboten. Ich finde hier nichts wirklich herausragend.
Fabian Schill, 27 Jahre: Für den Namenszusatz Universitätsstadt wird für Studenten in Essen zu wenig angeboten. Ich finde hier nichts wirklich herausragend. © WAZ FotoPool
Heike Mahnert, 34 Jahre: Den Titel ,kinderfreundliche Stadt’ verdient Essen nicht. Überhaupt finde ich, dass wir so einen Namenszusatz nicht brauchen.
Heike Mahnert, 34 Jahre: Den Titel ,kinderfreundliche Stadt’ verdient Essen nicht. Überhaupt finde ich, dass wir so einen Namenszusatz nicht brauchen. © WAZ FotoPool
Robin Langenberg, 22 Jahre: Im Zeitalter von Google fände ich so einen Zusatz nicht schlecht. Dadurch hätte man bei der Internetsuche ein Alleinstellungsmerkmal.
Robin Langenberg, 22 Jahre: Im Zeitalter von Google fände ich so einen Zusatz nicht schlecht. Dadurch hätte man bei der Internetsuche ein Alleinstellungsmerkmal. © WAZ FotoPool
Jan Auling, 22 Jahre: Ich sehe keinen besonderen Sinn darin. Spontan finde ich hier auch nichts, was sich für den Namenszusatz eignet.
Jan Auling, 22 Jahre: Ich sehe keinen besonderen Sinn darin. Spontan finde ich hier auch nichts, was sich für den Namenszusatz eignet. © WAZ FotoPool
Dagmar Müller, 61 Jahre: Ich finde, ein Namenszusatz ist nichts, was sich aufdrängt. Wir waren ja mal ,Einkaufsstadt’ – aber den Titel verdient Essen nicht mehr.
Dagmar Müller, 61 Jahre: Ich finde, ein Namenszusatz ist nichts, was sich aufdrängt. Wir waren ja mal ,Einkaufsstadt’ – aber den Titel verdient Essen nicht mehr. © WAZ FotoPool
Stefan Hannen, 45 Jahre: Ich arbeite für die Messe und fände ,Messestadt Essen’ gut. Das wäre ein klares Standortbekenntnis und würde für die Messe werben.
Stefan Hannen, 45 Jahre: Ich arbeite für die Messe und fände ,Messestadt Essen’ gut. Das wäre ein klares Standortbekenntnis und würde für die Messe werben. © WAZ FotoPool
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