Essen. .

Das Ende einer langen Flucht bringt ihn zum Geständnis. 19 Jahre und fünf Monate nachdem Taleb Z. (44) seine damals 24 Jahre alte Ehefrau Martina erstochen haben soll, legt der Libanese vor dem Essener Schwurgericht eine Art Geständnis ab. „Mein Gott, was habe ich getan“, sagt er.

Welchen Weg er seit der Tat eingeschlagen hat, steht seit Anfang des Jahres fest. Der illegal in den USA lebende Taleb Z. hatte zur Hochzeit seiner Tochter in den Libanon reisen wollen. Weil er wegen fehlender Papiere kein Visum beantragen konnte, stellte er sich kurzerhand den US-Behörden, hoffte auf Abschiebung in den Libanon. Doch die Amerikaner guckten in den Fahndungscomputer und entdeckten den Haftbefehl des Essener Amtsgerichtes. Seit dem 10. Januar sitzt Taleb Z., am 15. April lieferten die Behörden ihn nach Deutschland aus.

19 Jahre löschen die Erinnerung an den gewaltsamen Tod der Martina Z. nicht aus. Hinten im Saal sitzen auf der einen Seite Angehörige und Freunde der Katernbergerin. Zwei Brüder und ihre Mutter nehmen als Nebenkläger am Prozess teil. Aber auch die Familie des Angeklagten ist auf der anderen Seite reichlich vertreten. Rudolf Esders, Verteidiger von Taleb Z., ist die Verbindung zwischen den Zeiten. Der pensionierte frühere Vorsitzende des Schwurgerichtes, heute Anwalt, hätte seinen Mandanten verurteilen müssen, wenn dieser damals festgenommen worden wäre.

„Sie sagte, sie wolle ihr Leben ausleben“

Staatsanwalt Marcus Schütz ruft die Erinnerung an die Tat mit seiner Anklage wieder wach. Anfang Mai 1992 hatte Martina Z. sich nach vier Jahren Ehe von ihrem Mann getrennt. Sie hätte sich eingeengt gefühlt vom traditionellen Rollenverständnis ihres Ehemannes. Doch am 24. Mai sei sie zurückgekehrt in die Ehewohnung in der Hermannstraße, um mit der Verwandtschaft beider Seiten den Geburtstag der Tochter zu feiern.

Als die Gäste gingen, soll es Streit unter den Eheleuten gegeben haben, weil sie die Scheidung wollte. Taleb Z. soll im Wohnzimmer mit einem Küchenmesser auf sie eingestochen haben. Als sie aufsprang und in den Flur rannte, soll der Angeklagte ihr nachgesetzt und erneut auf sie eingestochen haben. 30 Messerstiche. Danach soll er sie in die Küche gezerrt und das Messer auf ihr abgelegt haben, im Schambereich lag es. Mit den Kindern, die während der Tat in ihren Zimmern waren, fuhr er in die Niederlande. Landsleute, denen er 5000 Gulden zahlte, brachten sie weiter zu seiner Mutter in den Libanon. Er selbst reiste über Kanada in die USA, wo er fast 19 Jahre lang in der Illegalität lebte.

Vor Gericht erzählt er, wie er 1986 nach Essen kam, kurz darauf seine spätere Frau kennenlernte und heiratete. Zwei Kinder kamen. Sie habe sich danach verändert, sagt er, sei oft mit Freundinnen ausgegangen. „Sie sagte, sie wolle ihr Leben ausleben“, berichtet er. Er hätte geantwortet, das könne sie, sie sei ja ein freier Mensch: „Aber die Kinder bleiben bei mir.“

Angst und Zittern

Am 24. Mai hätte es dann wieder Streit gegeben. Seine Frau sei aufgeregt gewesen, er selbst dagegen ruhig. Plötzlich hätte sie ihn mit einem Messer angegriffen. Er will ihr das Messer entwunden und zwei Faustschläge versetzt haben. Die eigentliche Tat spart er aus; sagt, er habe seine Frau dann in die Küche gebracht. „Angst und Zittern“ nennt er seine Stimmung nach der Tat. Ob er sich die 30 Einstiche erklären könne, fragt Rechtsmediziner Eberhard Liegnitz. „Ich kann es bis heute nicht fassen“, sagt der Angeklagte.