Essen. . Die Revitalisierung von Zollverein laufen auf Hochtouren - doch neben der Sanierung der denkmalgeschützten Bestandsgebäude und entsprechenden Auflagen planen RAG Montan-Immobilien und Stiftung Zollverein die Ansiedlung weiterer Gastronomie-Betriebe.
„Die Adresse Welterbe Zollverein“, sagt RAG Montan-Immobilien-Chef Professor Hans-Peter Noll, „würden sich viele Firmen gern auf die Visitenkarte drucken lassen.“ Das Gegenszenario - also der Verlust des Welterbe-Titels - wäre verheerend. „Der Doppelbock auf Zollverein ist als Marke weit über Deutschland hinaus bekannt.“ Marketing-Erfolg, der dem Welterbe-Titel geschuldet sei.
Doch was Noll und Stiftung Zollverein-Vorstand Hermann Marth bejubeln – es bringt Verpflichtungen mit sich, die nicht immer nachvollziehbar sind und teuer obendrein. Nehmen wir die Mauer am Ehrenhof: Als dem 23. Dezember 1986 die Lichter auf der Zeche ausgingen, stand sie noch. Über die Jahre verfiel die 2,40 Meter hohe historische Ziegelmauer, die einst den Vorplatz („Ehrenhof“) vom Kohlenwäschengelände abtrennte, im Zuge der Umbauarbeiten der Kohlenwäsche zum Museum (2004 bis 2006) riss man das marode Bauwerk ab.
Doch es gilt die Vereinbarung: Zollverein muss so erhalten bleiben, wie es am letzen Betriebstag hinterlassen wurde – womit auch die Wiedererrichtung der Mauer gefordert ist, was seit Sommer 2009 für Streitigkeiten im Hintergrund sorgte. War doch befürchtet worden, dass Besucher, die von der Gelsenkirchener Straße das Ruhr-Museum ansteuern wollen, buchstäblich vor die Wand rennen. Jetzigen Plänen zufolge soll die Mauer jedoch einen Durchgang erhalten, der war im Laufe der Betriebsjahre integriert worden. „Er wird sogar noch breiter als früher“, sagt Zollverein-Sprecherin Ute Durchholz. „Damit können wir sehr gut leben.“
In der Kritik der Denkmalschützer bei der Bezirksregierung Düsseldorf stehen auch die Klarglas-Fenster, die die RAG 2008 einbauen ließ. Während der Betriebsjahre jedoch hatte es im Gebäude an der Martin-Kemmer-Straße lediglich Scheiben mit Drahtgeflecht gegeben. Die RAG insistierte, man habe nicht gewusst, dass der Bau auf Schacht 2 auch dem Denkmalschutz unterliege, musste jedoch einen Kompromiss eingehen – nun soll von Innen Folie gegen die Scheiben geklebt werden, um zumindest die äußere Anmutung des Betriebszustandes wiederherzustellen. Auflagen und Restriktionen, die die RAG Montan angesichts der geplanten Vermarktung des Kokerei-Standorts kaum brauchen kann: Zwar gibt es für den Neubaugürtel, der sich L-förmig von der Kaue (Zugang Kokerei Tor 1) bis zu den Kühltürmen (Zugang Kokerei Tor 2) zieht, deutlich lockerere Baubestimmungen – hätten z.B. mehrere Stiftungen Interesse daran bekundet, ihren Verwaltungssitz nahe der im Bau befindlichen RAG Immobilien-Verwaltung zu bauen, doch für die zur Vermarktung anstehenden Bestandsgebäude Salzlager und Kammgebäude gelten die strengenden Denkmalschutz-Auflagen.
Zollverein aus der Luft
Ansiedeln will die RAG dort Kleingewerbe möglichst aus dem Bereich der Kreativwirtschaft, um den Standort weiter aufzuwerten; korrespondieren würde diese Ansiedlung auch mit dem Neubau der Folkwang-Universität der Künste auf dem ehemaligen Papier-Haus-Gelände. Rund 800 Studenten sollen den Standort rund um das Sanaa-Haus künftig bevölkern, was - so Math und Noll, auch die Revitalisierung des Stadtteils zur Folge habe. „Wenn Studenten hierher kommen, wird sich auch eine entsprechende Infrastruktur etablieren“, erklärte Oberbürgermeister Reinhard Paß bei der Präsentation der Pläne während der Münchener Immobilienmesse Expo-Real. Kneipenkultur und neue Läden seien denkbar. Was den Standort letztlich attraktiv mache seien günstige Mieten, seien Wohnviertel in unmittelbarer Nähe zu Studienort und Arbeitsplatz. „Wenn sich auf Zollverein etwas bewegt, dann auch im Umfeld“, so ließen sich die Erfahrungen der vergangenen Jahre zusammenfassen, betont Noll.
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Stiftungs-Vorstand Math ist überzeugt, dass dies gelingen kann: „Immerhin haben wir auf Schacht 1/2/8 eine Vermietungsquote von 99 Prozent.“ Was wiederum zeige, dass der Standort nach Anschub mit Fördermitteln durchaus interessant für Investoren sei. „Man darf nicht vergessen, dass wir nicht einzig mit Fördermitteln arbeiten, sonder gerade selbst auf Zollverein investieren und eine neue Verwaltung für 250 Mitarbeiter bauen“, ergänzt Immobilien-Chef Noll.
Womit sich auf dem Welterbe-Standort neues Potenzial auftue: Gastronomie haben Noll und Math ins Auge gefasst. „Wenn Menschen hier studieren und arbeiten, wollen sie nicht in die Stadt fahren, um in den Pausen etwas zu essen.“ Platz schließlich gebe es massenhaft auf dem Gelände. Bisher existieren neben dem Kokerei-Café ein gastronomischer Betrieb auf der 24 Meter-Ebene des Ruhr-Museums die Kochbar/Essbar auf Schacht XII, das Casino Zollverein, saisonal rollt darüber hinaus ein Curry-Wurst-Anbieter aufs Gelände.
Geplant ist nun, dass in Halle 4 auf dem „mondänen Standort Schacht XII“, so Math, ein Biergarten mit Café-Betrieb eröffnet, „allein diese Halle fasst 1000 Personen“, sagt der Stiftungs-Chef. Darüber hinaus ist für das Kokerei-Areal, auf dem neben der RAG Montan Immobilien-Verwaltung laut Noll Platz für Gebäude mit rund 1000 weiteren Büro-Arbeitsplätzen sei, Gastronomie geplant. Ein Veranstaltungssaal soll das Angebot aus Gastronomie und Bars abrunden. Insgesamt acht gastronomische Betriebe, so Noll, könne man sich auf den Arealen von Schacht 1/2/8, Schacht XII und Kokerei-Gelände vorstellen.