Essen. .

Das Buch über das Schattenreich muslimischer Schlichter hat auch das kurdisch-libanesische Milieu in Essen zum Thema. Hart geht der Autor mit der hiesigen Justiz ins Gericht; attestiert ihr „hasenherziges“ Vorgehen ohne Mut und Rückgrat.

Ein Buch sorgt für Furore - und Essen spielt darin eine tragende Rolle. Unter Muslimen und da vor allem in der kurdisch-libanesischen Bevölkerungsgruppe wird die deutsche Justiz im Konfliktfall gezielt außen vorgehalten, berichtet der Autor und Journalist Joachim Wagner. Streitschlichter und so genannte Friedensrichter sorgen sogar bei schweren Gewalttaten für „Lösungen“ angelehnt an die islamischen Scharia-Gesetze - an den ordentlichen Gerichten vorbei. Diese spielen nach Wagners Recherchen oft eine klägliche Rolle, gerade auch in Essen.

11. November 2009 in Katernberg. Faris A. schießt Abdul L. mit einer scharfen Waffe gezielt in den Fuß. Das Opfer hatte angeblich schlecht über ihn geredet. Versöhnungsgespräche der beiden Großfamilien scheitern zunächst. Im Jahr darauf schießt der Bruder des Opfers dem Täter aus Rache ins Bein - ausgerechnet bei einer Hochzeitsfeier, bei der Braut und Bräutigam aus den beiden Familien stammen.

„Herbe Niederlage für die Essener Justiz“

Der Pistolenschütze kommt später mit neun Monaten auf Bewährung davon, weil Zeugen - vermutlich gezielt instruiert - vor Gericht nur unklare Angaben machen und die Dinge im Vorfeld „geregelt“ wurden. Eine „herbe Niederlage für die Essener Justiz“, folgert Wagner - und ein schlagendes Beispiel für die Existenz von Parallelgesellschaften, die sich so weiter verfestigen.

Mitverantwortlich sind auch Rechtsanwälte, die „plötzliche Gedächtnislücken“ von Zeugen und ähnliche Tricks zur Basis ihrer Beratungsarbeit machen, nicht mehr die Mitwirkung an der Wahrheitsfindung.

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Von DerWesten

Wagner führt nicht nur eine Fülle ähnlicher Fälle auf, er zeichnet auch ein dichtes, ungeschminktes Sittengemälde der kurdisch-libanesischen Familienverbände, bei denen oft von Integration in die deutsche Gesellschaft keine Rede sein kann. Basis dieser bleibenden Fremdheit ist nicht zuletzt ein auf muslimischen Traditionen beruhendes Gewohnheitsrecht, das die Umgehung, ja Verachtung der deutschen Justiz einschließt. Diese gilt - je nach Interessenlage - als allzu schwächlich oder als leicht auszukontern, weil sie sich an formale Grundsätze halten muss - sehr im Gegensatz zu den Schlichtern, - häufig Familienoberhäupter -, deren Habitus in Wagners Schilderungen mitunter an Mafia-Bosse erinnert.

„Mit Hartz IV-Leistungen können viele Familien trotzdem gut über die Runden kommen“

Ein Schwerpunkt kurdisch-libanesischer Zuwanderung neben Berlin und Bremen ist Essen. 5000 leben in der Stadt, 60 Prozent sind nach Wagners Darstellung abhängig von staatlichen Transferleistungen, und das oft seit Jahrzehnten. 40 Prozent der Jugendlichen haben keinen Schulabschluss. „Mit Hartz IV-Leistungen können viele Familien trotzdem gut über die Runden kommen - dank der zahlreichen Kinder“, so Wagner.

Bei der Kriminalität würden Quoten erreicht, die sich je nach Delikt bis zum 16-fachen dessen bewegen, was im Durchschnitt üblich ist. In Altenessen führte das allgemeine Unsicherheitsgefühl zu Protesten und einer Initiative der Stadt, die in Zusammenarbeit mit der Polizei die Lage zumindest zu stabilisieren scheint - für weitergehende Hoffnungen ist es noch zu früh.

In Essen immerhin gibt es auch ein Beispiel für eine muslimische Schlichtungspraxis, die auch Wagner für akzeptabel hält, weil sie sich in der Regel auf familiäre Konflikte beschränkt. Geschildert werden die Vermittlungen des Essener Imams Raschid, der gemeinsam mit Polizei und Essener Jugendamt in einer Moschee regelrechte Verträge aufsetzt.

Grat zwischen Pragmatismus und Kapitulation ist schmal

Streit auch gewalttätiger Art kann etwa entstehen, wenn Jugendliche für den Geschmack strenggläubiger Eltern sich freiheitlichen Mentalitäten zu weit annähern. Auch hier könnte man allerdings kritisch fragen: Welches fatale, weil allumfassende Religionsbild unterstützt ein Jugendamt, wenn es in einer Moschee als Vertragspartei auftritt, weil eine junge Muslimin ein freizügiges - gemeint ist: für hiesige Verhältnisse normales - Leben führen will? Der Grat zwischen Pragmatismus und Kapitulation ist schmal.

Hart geht der Autor mit der Essener Justiz ins Gericht. Wagner attestiert ihr etwa am Beispiel eines Falles - es ging um die Ahndung einer wüsten Schlägerei mit Messereinsatz - „hasenherziges“ Vorgehen ohne Mut und Rückgrat. Nach drei Jahren und viel Hin und Her endete der Prozess mit Einstellung - ohne Urteile.

Kurden-Demo in Essen

Etwa 50 Kurden zogen demonstrierend durch Essen. Foto: Claudia Pospieszny
Etwa 50 Kurden zogen demonstrierend durch Essen. Foto: Claudia Pospieszny
Etwa 50 Kurden zogen demonstrierend durch Essen. Foto: Claudia Pospieszny
Etwa 50 Kurden zogen demonstrierend durch Essen. Foto: Claudia Pospieszny
Etwa 50 Kurden zogen demonstrierend durch Essen. Foto: Claudia Pospieszny
Etwa 50 Kurden zogen demonstrierend durch Essen. Foto: Claudia Pospieszny
Etwa 50 Kurden zogen demonstrierend durch Essen. Foto: Claudia Pospieszny
Etwa 50 Kurden zogen demonstrierend durch Essen. Foto: Claudia Pospieszny
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Etwa 50 Kurden zogen demonstrierend durch Essen. Foto: Claudia Pospieszny
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Etwa 50 Kurden zogen demonstrierend durch Essen. Foto: Claudia Pospieszny
Etwa 50 Kurden zogen demonstrierend durch Essen. Foto: Claudia Pospieszny
Etwa 50 Kurden zogen demonstrierend durch Essen. Foto: Claudia Pospieszny
Etwa 50 Kurden zogen demonstrierend durch Essen. Foto: Claudia Pospieszny
Etwa 50 Kurden zogen demonstrierend durch Essen. Foto: Claudia Pospieszny
Etwa 50 Kurden zogen demonstrierend durch Essen. Foto: Claudia Pospieszny
Etwa 50 Kurden zogen demonstrierend durch Essen. Foto: Claudia Pospieszny
Etwa 50 Kurden zogen demonstrierend durch Essen. Foto: Claudia Pospieszny
Etwa 50 Kurden zogen demonstrierend durch Essen. Foto: Claudia Pospieszny
Etwa 50 Kurden zogen demonstrierend durch Essen. Foto: Claudia Pospieszny
Etwa 50 Kurden zogen demonstrierend durch Essen. Foto: Claudia Pospieszny
Etwa 50 Kurden zogen demonstrierend durch Essen. Foto: Claudia Pospieszny
Etwa 50 Kurden zogen demonstrierend durch Essen. Foto: Claudia Pospieszny
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