Essen.

Seit über 20 Jahren pflegt Christel Bauer das Grab ihres verstorbenen Mannes auf dem Friedhof Rellinghausen. Als sie am Samstag vor einer Woche wie üblich die kleine Grabfläche von Blättern und Unkraut befreite, traute sie ihren Augen kaum.

Nachdem schon Anfang des Jahres eine am Grabstein befestigte Bronze-Rose gestohlen wurde, musste die 75-jährige Rentnerin den nächsten Schock verdauen: „Jetzt haben sie auch noch die Bronze-Vase gestohlen.“ Skrupellos brachen die Täter die an einem Marmorsockel befestigte Vase aus ihrer Verankerung. Die Blumen, die zuvor noch in der Vase standen, legten sie anschließend fein säuberlich neben den Grabstein. „Als ich das gesehen habe, musste ich weinen“, sagt Bauer. Unterstützung bekommt die Witwe von ihrer Tochter. „Dass es Leute gibt, die so etwas machen, ist unglaublich. Meine Mutter muss sich das von ihrer Rente absparen“, sagt Martina Ittrich.

Beim Gang über den Friedhof Am Glockenberg fällt der Blick der Rentnerin auch auf andere Gräber, denn der dreiste Diebstahl am Grab von Willi Bauer ist längst kein Einzelfall. Zum Teil, so Christel Bauer, wurden wertvolle Figuren sogar mit einer Flex abgetrennt.

Diebesbanden aus Osteuropa, Gelegenheitsdiebe und Drogenabhängige

Klaus Grütz, Verwaltungsleiter des städtischen Grün und Gruga-Betriebs, bestätigt den Eindruck, der sich nicht nur in Rellinghausen verfestigt: „Das ist kein Einzelfall und geschieht regelmäßig außerhalb unserer Dienstzeiten.“ Ein klassisches Täterprofil gebe es dabei nicht: „Es sind Diebesbanden aus Osteuropa, Gelegenheitsdiebe und Drogenabhängige unterwegs. Manchmal ist es auch reiner Vandalismus. Sogar mit Motorrädern sind sie schon über die Gräber gefahren“, sagt Grütz. Wirkungsvolle Maßnahmen, um dem kriminellen und für viele Trauernde zutiefst erschütternden Treiben ein Ende zu bereiten, sind nicht in Sicht.

Das Hauptproblem scheint vor allem die kaum zu kontrollierende Größe der Friedhöfe zu sein. Allein die 23 kommunalen Anlagen auf dem Essener Stadtgebiet umfassen eine Fläche von insgesamt 256 Hektar. „Das sind Gehwege von 200 Kilometern Länge. Wir können einfach nicht jedes Grab überwachen“, sagt Klaus Grütz. Auch die Schließung der Zugangstore während der Nachtzeit war nicht die erhoffte Lösung: „Am Nordfriedhof haben Chaoten daraufhin ein Loch in den Zaun geschnitten. Auch Zäune halten dieses Gesindel nicht ab.“

Grün und Gruga plant Überwachungskameras

Um zumindest für etwas Abschreckung zu sorgen, plant Grün und Gruga den Einsatz von Überwachungskameras. An neuralgischen Stellen sollen sie für etwas mehr Sicherheit sorgen. Für Christel Bauer, die beide Diebstähle der Polizei gemeldet hat, kommt diese Initiative zu spät: „Das ist gemein. Ich habe immer gedacht, dass hier solche Dinge nicht passieren. Diese Menschen haben keine Skrupel.“

Trotz der traurigen Erfahrungen wollen Bauer und Ittrich auch künftig nicht auf Grabschmuck verzichten. „Papa soll es schön haben“, sagt Martina Ittrich. Statt einer Bronze-Figur soll künftig eine zierliche Steinrose den Grabstein von Willi Bauer schmücken.