Essen.

Sie plündern Bahnanlagen, Baustellen und sogar Friedhöfe. Jetzt haben Metalldiebe sogar die Kunst im öffentlichen Raum entdeckt. Ein Essener Pärchen wurde Freitag früh beim Versuch festgenommen, eine 300 Kilo schwere Skulptur in Huttrop zu stehlen.

Kurz nach Mitternacht war ein 31-jähriger Anwohner der Volmerstraße aus dem Schlaf geschreckt. Als er aus dem Fenster schaute, konnte er einen Mann beobachten, der in der Grünanlage an der Ecke Oberschlesienstraße mit einer Säge an einer Bronzestatur arbeitete, die die Nachbarn „Die Vogelfrau“ getauft haben. Eine Jugendliche stand Schmiere. Polizisten stellten das Duo. Beide sind einschlägig polizeibekannt.

„Die Rechnung ist einfach: Hohe Gewinnerwartungen wecken kriminelle Energie“

Die 300 Kilo schwere Statue war so weit angesägt, dass sie hätte umstürzen können. Deshalb vollendeten Feuerwehrleute das Säge-Werk. Ein Abschleppunternehmer brachte die „Vogelfrau“ in sein Lager nach Kray, bis eine Entscheidung über eine Sanierung getroffen ist. Nach ersten Ermittlungen der Polizei gehört die Statue der Stadt.

„Die Rechnung ist einfach: Hohe Gewinnerwartungen wecken kriminelle Energie“, sagt Polizeisprecher Ulrich Faßbender. „Je höher die Buntmetallpreise steigen, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass Buntmetall gestohlen wird.“

Die Beamten der Essener Bundespolizeiwache wissen das schon seit Jahren. Die Deutsche Bahn mit ihren Schienen, Weichen und kilometerlangen Kupferkabeln war das erste Ziel der Metalldiebe, als die Preise für Buntmetalle durch die Decke gingen. Erst am Dienstag war der Nahverkehr zwischen Köln und dem Ruhrgebiet den ganzen Morgen lang schwer gestört, weil Kupferdiebe mehrere Steuerkabel durchgeschnitten hatten und so ein Stellwerk lahmlegten.

Nicht mal mehr Friedhöfe sind mehr sicher

„Die Bundespolizei verzeichnet vermehrt Diebstähle von Buntmetall auf dem Bahngebiet“, bestätigt Alfons Genreith, Sprecher der Bundespolizeiinspektion Köln. Die Diebe verursachen nicht nur schwere Verkehrsstörungen, sie bringen sich auch selbst in Lebensgefahr. Jürgen Karlisch, Sprecher der für Essen zuständigen Inspektion Dortmund, berichtet von Fällen, wo sich Kriminelle sogar die 15 000 Volt führenden Fahrdrähte angegangen sind.

Neben Bahngelände sind Baustellen ein bevorzugtes Ziel von Metalldieben geworden. Inzwischen sind auch Häuser vor ihnen nicht mehr sicher. Nicht mal mehr Friedhöfe: Nach Diebstählen auf dem Nordfriedhof in Altenessen legten sich im Frühjahr Zivilbeamte auf die Lauer. Sie stellten einen 36-jährigen Drogenabhängigen, dem sie Diebstähle von Grablampen und Vasen vorwarfen. Der vorbestrafte Mann hat ein Teilgeständnis abgelegt. Im Essener Norden sprechen sie immer noch von dem Diebstahl von 1500 Metern Oberleitung letzten Sommer (wir berichteten).

Längst ist die organisierte Kriminalität in das lukrative Geschäft eingestiegen. Letzte Woche meldete eine Ermittlungskommission in Rostock, sie habe eine bundesweit agierende Bande von Bosniern und Deutschen ausgehoben. Die Fahnder wurden auch im Ruhrgebiet fündig.