Essen. .
Die B.M.V.-Schülerin Barbara Müller gehört zu den Ausgezeichneten beim Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten gewonnen. Den Preis erhält sie für eine Arbeit über Frauen beim Arbeiterausstand 1889.
Als Kind ist Barbara Müller einmal auf den hohen Schrank im Wohnzimmer ihrer Eltern geklettert, nur, weil sie wissen wollte, wie die Welt von da oben aussieht. Dummerweise hatte sich das Mädchen keine Gedanken darüber gemacht, wie sie anschließend wieder herunter kommen sollte. Die Mutter musste also helfen. Natürlich gab’s Schimpfe, was aber hängen geblieben ist: „Um sich ein Bild von einer Sache machen zu können, muss man sie aus möglichst vielen Winkeln betrachten“, sagt die heute 18-jährige Gymnasiastin mit einem entschuldigenden Schulterzucken.
3600 Konkurrenten im Wettbewerb
Der Ansatz hat sich bewährt: Für ihre ungewöhnliche Facharbeit über die Beteiligung von Frauen am Bergarbeiterstreik 1889, die die Schülerin des B.M.V.-Gymnasiums für ihren Geschichtsleistungskurs schreiben musste, wurde sie nun mit einem Förderpreis des Bundespräsidenten ausgezeichnet: 100 Euro Preisgeld und eine Urkunde gab’s dafür.
Weit über 3600 Schüler aus ganz Deutschland haben an dem zweijährig ausgeschriebenen Geschichtswettbewerb teilgenommen, der jedes Mal unter einem anderen Motto steht; diesmal sollten sie Skandale in der Geschichte ihrer Region recherchieren.
„Das Bild der Frau war das einer braven Hausfrau“
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Bemerkenswert findet Barbara, wie sich Frauen am ersten organisierten Massenstreik der Bergarbeiter beteiligten. Er hatte vor rund 120 Jahren in Bochum und Essen angefangen und der Gewerkschaftsbewegung im Ruhrbergbau zum Durchbruch verholfen. „Das Bild der Frau war das einer braven Hausfrau, die ‚die Flamme des Herds’ hüten sollte“, zitiert die Zwölftklässlerin aus dem Gedächtnis. „Während des Streiks haben die Männer aber um diesen Herd herum gesessen und ihre Debatten geführt. Frauen waren involviert, immerhin mussten sie mit den Folgen des Streiks zurechtkommen. Wenig Geld, kaum etwas zu essen - da wurden sie aktiv.“
Die sonst so liebe Hausfrau leerte rein zufällig den Nachttopf aus dem Fenster aus, wenn darunter ein Streikbrecher vorbeilief, sie stieß seinen Milchkrug um und hinderte ihn daran, die Zeche zu betreten. „Das passierte alles im Hintergrund. Es gibt kaum geschichtliche Quellen, die von der Beteiligung der Frauen sprechen.“
„Heute ist die Emanzipation der Frau fast ins Übertriebene gerückt“
Im Haus der Geschichte des Ruhrgebiets in Bochum hat Barbara sie gefunden: Ein langhaariger Alt-68er, der dort als Bibliothekar arbeitete, suchte diese Dokumente heraus und brachte sie Barbara an den kleinen viereckigen Tisch im Lesesaal. In Bochum war sie im Archiv für soziale Bewegungen, hat über die staubigen alten Seiten stets eine Schablone gezogen, die ihr beim Entziffern der altdeutschen Schreibschrift helfen sollte. „Ich mag das Ergebnis einer solchen Arbeit, wenn ich weiß, wie ich zu etwas stehe.“
Gleichberechtigung braucht keine formalen Kritierien
So habe ihr die Facharbeit gezeigt: Frauen haben schon im Hintergrund politisch gehandelt, da kannte in Deutschland noch kaum einer das Wort „Feminismus“. „Heute ist die Emanzipation der Frau fast ins Übertriebene gerückt“, sagt Barbara. Frauenquote und das große „I“, dass aus Bürgern BürgerInnen macht, solche Dinge nerven sie. „Gleichberechtigung im Beruf oder in der Sprache braucht keine formalen Kritierien.“
Wenn sich Barbara heute ein Bild von der Welt machen will, dann klettert sie übrigens nicht mehr auf Schränke. Die Zwölfklässlerin greift dann zur Kamera: In Köln besucht sie eine Fotografieschule, arbeitet nebenbei für ein kleines Studio. Nach dem Abitur will sie Fotografie studieren. „Ich will Bilder machen, die die Menschen zum Nachdenken bringen.“