Essen. .

Ein Bild und seine Geschichte: Wie Wolfgang Gronau als 16-jähriger Jung-Kruppianer mit Alfried Krupp fotografiert wurde. Das Foto ist eines der stimmungsvollsten in der neuen Ausstellung „Krupp - Fotografien aus zwei Jahrhunderten“.

Unten den Hunderttausenden Krupp-Fotos ist dieses nicht zufällig für die neue Schau auf Villa Hügel ausgewählt und an prominenter Stelle ausgestellt worden: Die Szene wie Alfried Krupp von Bohlen und Halbach 1961 mit zwei Lehrlingen in der Radsatz-Werkstatt plaudert, ist atmosphärisch dicht, vermittelt einen menschlichen Eindruck des letzten Alleineigentümers - und zeigt zwei Auszubildende, von denen einer munter den Ringschlüssel schwingt und so fast das Bild beherrscht. Die WAZ wollte wissen: Wer waren die Jungs auf dem Bild, deren Namen der Fotograf nicht notiert hatte? Und was ist 50 Jahre später aus ihnen geworden? Einer, der frühere Kruppianer Wolfgang Gronau, heute 66 Jahre alt und erst seit einem Jahr pensioniert, hat sich gemeldet. Noch heute sieht man: Er ist es wirklich.

Alfried Krupp sollte nicht an den langen Lulatschen hochsehen müssen

An das Foto und seine Vorgeschichte kann sich der gebürtige Essener noch ganz genau erinnern: „Wir Lehrlinge hatten Werkunterricht, als plötzlich ein Fotograf in den Raum kam und sagte: ,Alle mal aufstehen’!“ Es ging, wie sich herausstellte, um einen Fototermin mit Alfried Krupp, und rausgeholt wurden dann die beiden Kleinsten - gezielt, wie Gronau schmunzelnd vermutet. Krupp war selbst kein Riese, und sollte nicht an den langen Lulatschen hochgucken müssen, die es auch in der Lehrlingsklasse gab.

„Klar war ich ein bisschen aufgeregt. Wann kam man dem obersten Chef schon mal so nahe“, erinnert sich Gronau, der das Fräser-Handwerk lernte. Alfried Krupp fragte dann interessiert nach Herkunft und Arbeitszufriedenheit und verstand es offensichtlich, das Eis zu brechen. Als die Fotografen Gronau aufforderten, mal ein bisschen den Schlüssel zu bewegen, ließ sich der damals 16-Jährige nicht zweimal bitten. Und auf einigen Fotos lacht er herzlich.

Es war die einzige Chance, Dynamik ins Bild zu bringen, denn Alfried Krupp war kein Mann ausladender Mimik und Gestik. Im „Stern“, in der WAZ, der NRZ, auf dem Titel der Firmenbiografie von Lothar Gall - immer wieder wurden verschiedene Motive aus dieser Fotostrecke gedruckt. Wer die Idee hatte, den legendären Eigentümer und obersten Chef mit den kleinsten Lehrlingen zusammenzubringen, ist nicht bekannt. Unter dem Gesichtspunkt geschickter Öffentlichkeitsarbeit - schon immer eine Stärke bei Krupp - war es jedenfalls ein genialer und sehr nachhaltiger Einfall. Und was denkt Wolfgang Gronau, wenn er dem Foto irgendwo begegnet? „Ich muss immer schmunzeln.“

Über 51 Jahre im Werk

Natürlich waren Wolfgangs Eltern stolz. „Meine Mutter hat die Zeitungsausschnitte gesammelt“, sagt Gronau, der aus einer echten Kruppianer-Familie stammt. Schon der heute 90-jährige Vater arbeitete bei den Baubetrieben der Firma, Wolfgang Gronau selbst stellte ein Leben lang elektrische Komponenten für den Lokomotivbau her Auf 37 Jahre bei Krupp folgten ab 1994 - nach dem Verkauf der Sparte - weitere bei Siemens.

Genau 51 Jahre und drei Monate ging Gronau also in die Werkshallen, erst an der Altendorfer und der Helenen-straße in Essen, später in Krefeld. „Und das immer gerne“, wie er betont, „am liebsten hätte ich nach dem Erreichen der Altersgrenze weitergemacht.“ Ununterbrochen seit seiner Geburt lebt der 66-Jährige nun auch schon in Krupp-Siedlungen, in Borbeck, in Frohnhausen, jetzt in Holsterhausen. Seit die Firma sich von ihrem Wohnungsbesitz weitgehend trennte, gibt es allerdings einen neuen Vermieter.

War man auch in den 1960er noch stolz, ein Kruppianer zu sein? „Doch, das war ich“, sagt Gronau. „Krupp war ein großer Name, und das war uns auch klar.“ An die Lehrzeit hat der Fräser zudem gute Erinnerungen. „Kaum ein Unternehmen kannte damals Werkunterricht, und unsere Meister waren exzellente Fachleute.“ Allerdings, und auch das ist absolut typisch für das heutige Essen: Mit Wolfgang Gronau endet die familiäre Kruppianer-Geschichte. Seine zwei Söhne haben beruflich nichts mit der Firma zu tun.