Brüssel.
Drei Schülerinnen aus Essen zog’s ins Machtzentrum des Kontinents nach Brüssel. Die Krupp-Stiftung ermöglichte ihnen dort Betriebspraktika. Junge Menschen bekommen die Chance, Erfahrungen im Ausland zu sammeln.
Saskia Högner ist aufgeregt. Gemeinsam mit Friederike Asche und Nina Weidlich sitzt die 17-Jährige im Schnellzug nach Brüssel. Mit über 170 Kilometern in der Stunde rauscht sie durch die Landschaft schnurstracks in das Machtzentrum des Kontinents. Was die drei Essener Schülerinnen dort wollen? Arbeitsluft schnuppern. Denn sie sind drei von 50 Stipendiaten der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, die ihnen Betriebspraktika im Ausland ermöglicht. Saskia, die sonst das Don-Bosco-Gymnasium besucht, taucht ein in die Wirtschaftswelt Europas. Bei der Deutsch-Belgisch-Luxemburgischen Handelskammer, der AHK Debelux, wartet ein Schreibtisch auf sie. Und viel Arbeit, schließlich will AHK Debelux- Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Maurer, dass sie in Brüssel etwas lernt.
Bereits seit sieben Jahren hält er für die Stipendiaten der Krupp-Stiftung immer einen Praktikumsplatz frei, „weil ich der Stiftung etwas zurückgeben will“. Denn bis 1989 war er jahrelang auf der „Germania sechs“, dem Krupp’schen Segelschulschiff unterwegs. Saskia kommt bei ihm und seiner Familie in Brüssel unter, lernt so den „typischen Brüsseler Haushalt“ kennen. Denn wer ein echter Belgier ist, „lebt im Umland, nur Diplomaten und Ausländer wohnen hier“, scherzt Maurer. Saskia erfährt bei der AHK Debelux viel über Recht und Steuern, Marktberatung und Kommunikation. Und sie plant ein Seminar über die deutsche Verpackungsverordnung mit. „Das ist alles ziemlich neu für mich, macht aber viel Spaß“, erzählt sie. Und wenn mal jemand anruft und französisch, spanisch oder englisch mit ihr spricht: „Antworte ich natürlich in der gewünschten Sprache.“ Brüssel sei halt multikulturell.
„Auslandserfahrungen von großer Bedeutung“
Es sei wichtig, jungen Menschen die Chance zu geben, Erfahrungen im Ausland zu sammeln, ist sich Maurer sicher. Denn: „Auslandserfahrungen gehören heute zu den Qualifikationen, die für einen erfolgreichen beruflichen Werdegang von großer Bedeutung sind. Ich halte es für sehr wichtig, dies gerade der jungen Generation zu vermitteln“, das betont selbst Berthold Beitz, Kuratoriumsvorsitzender der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, die das Projekt bis einschließlich 2012 bewilligt hat.
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Saskia Högner hat bereits einen Plan für ihre berufliche Zukunft: „Ich will einen kaufmännischen Beruf erlernen. Nach dem tollen Praktikum bietet sich da Groß- und Außenhandelskauffrau an.“ Die Brüsseler Innenstadt und das Atomium hat sie sich angesehen und war im Europäischen Parlament, wo Mitstipendiaten Nina Weidlich arbeitet .
„Rue Wiertz, ASP 12 G 318“, das ist die Brüsseler Adresse des Essener Europaabgeordneten Jens Geier (SPD). Dort hat es die 18-Jährige hin verschlagen. Denn Geier unterstützt die Krupp-Stiftung gerne mit einem Praktikumsplatz. „Ich habe meine Bewerbung ganz kurzfristig, eine Stunde vor dem Bewerbungsschluss, eingereicht“, erzählt Weidlich. Dafür war sie gut, so gut, dass sie einen der begehrten Plätze ergatterte. Ihr Arbeitsplatz, das Machtzentrum Europas, hat der Schülerin in den ersten Tagen viel abverlangt. „Hier spricht man so viele verschiedene Sprachen. Alles hier ist riesig und turbulent. Ich hab’ mich anfangs mehrmals am Tag verlaufen“, sagt sie. Und ihr Büro ist wahrlich nicht leicht zu finden.
„Ich wusste vorher nicht, wie viel Arbeit so ein Europaabgeordneter hat“, staunt die Stipendiatin verwundert. Als Nina hörte, dass sie „nur“ nach Brüssel kommt, war ich ein wenig enttäuscht. „Ich wollte gerne nach Asien oder in die USA.“ Doch als es hieß, sie dürfe im Parlament arbeiten, „hab’ ich mich richtig gefreut“. Der riesige Komplex sei beeindruckend. Die Arbeit macht ihr Spaß. „In den Ausschüssen wird viel geredet und diskutiert, da dauert es sicher ewig, bis die EU-Länder etwas umgesetzt haben“, muss sie feststellen, denn die Politik ist eigentlich nicht ihr Metier.
Mittels Kopfhörer verfolgt die Stipendiatin Debatten im Haushaltsausschuss. Abwechselnd auf Deutsch und Englisch. „Und trotzdem verstehe ich vieles nicht. Die Themen sind für mich eher weniges spannend“, sagt Nina. Im Abgeordnetenbüro ist sie dennoch gut informiert. „Denn ich kümmere mich für Jens Geier um die Presseschau, besuche Veranstaltungen für ihn und schreibe darüber Berichte.“
Im Herzen Europas
Das freut Büromitarbeiter Sascha Faradsch: „Was sie für uns macht, ist wirklich sehr hilfreich. Denn wir haben leider gar nicht die Zeit, alle wichtigen Veranstaltungen zu besuchen.“ Und das mit dem sich verlaufen, „geht am Anfang jedem Neuling so“, so Faradsch. Alle Sehenswürdigkeiten auf ihrer Liste, darunter die königlichen Gärten, hat Nina bereits besucht. Belgisches Bier, Pommes und Waffeln hat die Schülerin ebenfalls schon probiert. Beeindruckt hat sie die Arbeit der Dolmetscher im Parlament, denn „ich will später beruflich etwas mit Sprachen machen, vielleicht sogar in den Journalismus“. Und Journalisten findet man in Brüssel auch an jeder Ecke, vor allem im Parlament.
Die Welt der Medien interessiert Friederike Asche ebenfalls. In der zehnten Klasse war sie bereits Praktikantin in der WAZ-Lokalredaktion Essen. Doch auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in Brüssel hat es ihr angetan. „Ich habe mich vor dem Praktikum im Internet über die DIHK schlau gemacht und war gespannt, was mich in Brüssel erwartet“, erzählt die 18-Jährige. Und sie hat gleich zwei wichtige Aufgaben von Barbara Fabian bekommen, die das Referat berufliche Bildung der DIHK leitet. „Ich muss einen Leitfaden zum Thema ,Lernort Europa – die Zukunft sind wir’ aktualisieren, der an deutschen Schulen im Unterricht zum Einsatz kommt“, sagt Asche. Gleiches gilt für ein Europa-Quiz, das auf der DIHK-Webseite zu finden ist. „Sie leistet sehr gute Arbeit, wir sind zufrieden“, lobt Fabian die Schülerin. Seit sechs Jahren fördert die Dortmunderin das Projekt mit Stipendiatenplätzen. „Es ist ein Bildungsprojekt, das Nachahmer sucht“, meint sie. Daher hat sie es als Empfehlung und „Best-Practice-Beispiel“ an die EU-Kommission geschickt. Berthold Beitz sehe es sicher gerne, wenn andere Länder in Sachen Jugendförderung bei der Krupp-Stiftung abgucken würden, meint sie. „Schüler müssen über den Tellerrand schauen, das ist in unserer heutigen Gesellschaft immens wichtig“, so Fabian.
Berthold Beitz bittet zum Empfang
Friederike Asche jedenfalls ist glücklich, „so viel gelernt zu haben“. Live-Konferenzen mit Berlin, ein offenes Bürokonzept mit mobilen Rollcontainern für jeden Mitarbeiter, flexibles Arbeiten, Pressespiegel mit Meldungen aus aller Welt, Infos und Besucher aus Wirtschaft und Politik – „Ich habe mir das Praktikum nicht so spannend vorgestellt“, sagt sie mit ein bisschen Wehmut kurz vor dem Ende des Praktikums.
Zurück in Deutschland steht der nächste Höhepunkt an. Mit allen Stipendiaten geht es zur Villa Hügel. Berthold Beitz bittet zum Empfang. „Da hab’ ich mich im Vorfeld sehr drauf gefreut“, sagt Asche. Zudem bekommen alle Stipendiaten ein persönliches Empfehlungsschreiben der Stiftung – für ihre Bewerbungsmappe. Das kommt sicher ganz gut an.