Essen. .

Strahlen können heilen, aber auch krank machen: Beim WAZ-Medizinforum in Essen sprachen Experten in der Philharmonie jetzt mit Lesern über die Anwendungsmethoden der unsichtbaren Wellen in der Medizin. "Fukushima" gibt dem Thema eine neue Aktualität.

Mit dem Reaktorunglück im japanischen Fukushima war die Angst plötzlich wieder da. Viel diskutiert wurden seitdem die Risiken und Gefahren von Strahlung. „Dabei sind die Hoffnungen und Sorgen, die Menschen mit Strahlen in Verbindung bringen, doch eigentlich sehr alt“, sagte Prof. Eckhard Nagel, ärztlicher Direktor des Uniklinikums, in seiner Eröffnungsrede vor rund 100 Gästen beim „WAZ Medizinforum“ in der Philharmonie.

Nagel erinnerte an die frühen Strahlen-Experimente des Physikers Wilhelm Conrad Röntgen, dessen Arbeit zwar mit dem Nobelpreis belohnt wurde, für die er aber auch mit seinem Leben bezahlte.

„Fukushima brachte das Thema Strahlen jetzt überraschend wieder auf die Agenda“, sagte Nagel. Er begrüße, dass nun beim Medizinforum, einer Kooperation von WAZ und Universitätsklinikum, wieder Themen tiefergehend diskutiert werden können, über die in den Medien häufig nur oberflächlich berichtet werden kann.

Gemeinsame Wissensbasis

Um den Vortrag des Ingenieurs Wilfried Sonnenschein von der Klinik für Nuklearmedizin wiederzugeben, bräuchte es mehrere Zeitungsseiten. Er referierte über Strahlen, die in der Umwelt vorkommen. So schuf er auch bei Besuchern, deren Teilnahme am Physik-Leistungskurs in der Oberstufe schon länger her ist, eine gemeinsame Wissensbasis.

Ein Nebenaspekt war es, der beim Publikum dann aber für Staunen sorgte: „Flugbegleiter sind höheren Strahlendosen ausgesetzt, als sie beispielsweise in der Medizin eingesetzt werden.“ Ungewollt rief dies Beunruhigung hervor. „Meine Enkelkinder fliegen zweimal jährlich nach China“, sagte eine Dame. „Sind sie dabei in Gefahr?“ Sonnenschein gab jedoch Entwarnung.

Vor einer schwierigen Aufgabe stand auch Professor Wolfgang-Ulrich Müller: „Ich möchte Ihnen jetzt 115 Jahre Strahlenforschung in zehn Minuten erklären“. Müller ist Mitglied der Strahlenschutzkommission der Regierung und stellv. Direktor des Instituts für Medizinische Strahlenbiologie an der Uni Duisburg-Essen. Seit 30 Jahren experimentiere er mit Strahlung. „Ich weiß, dass Strahlung nicht harmlos ist, aber sie ist auch nicht so dramatisch gefährlich wie oft dargestellt.“ Fakt sei, dass Strahlen Krebs und Erbkrankheiten auslösen können. Darüber dürfe man aber nicht vergessen, dass besonders in der medizinischen Anwendung Strahlen viel Positives bewirken können.

Gar gesundheitsfördernd?

Im Alltag, sagte Müller, sei besonders interessant, wie der Körper auf die Exposition geringer Strahlungswerte reagiere und gestand ein, dass es in der Forschung dazu viele offene Fragen gäbe. Möglicherweise seien sehr geringe Strahlenwerte gar nicht gesundheitsschädlich. Vielleicht wirkten sie gar gesundheitsfördernd?

Diesen Aspekt griff sein Nachredner, Thomas Lauenstein vom Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie des Uniklinikums, gerne auf: „Vielleicht werben dann bald Airlines mit dem Slogan ,Fliegen Sie sich gesund’ für ihre Transatlantikangebote?“

Radiologe Lauenstein thematisierte die Nutzung von Strahlen für die medizinische Diagnostik, beispielsweise für Röntgenaufnahmen. „Grundsätzlich gilt, wir versuchen strahlensparend zu arbeiten oder den Einsatz von Strahlung komplett zu vermeiden.“ Dies ermögliche auch der Fortschritt der Technik. Hochauflösende Aufnahmen könnten heute mit viel geringerem Strahleneinsatz gemacht werden als vor wenigen Jahren.

„Mit Strahlen heilen“, überschrieb Professor Wolfgang Sauerwein von der Klinik für Strahlentherapie des Uniklinikums seinen Vortrag. „Circa die Hälfte aller Krebserkrankungen sind heilbar“, sagte der Mediziner. „Und 60 bis 70 Prozent der Krebspatienten werden dazu während ihrer Behandlung bestrahlt.“ Wichtig bei einer Strahlentherapie sei, dass die von Krebs befallenen Zellen möglichst gezielt bestrahlt werden. Dies gelinge zuvorderst durch den Einsatz von High-Tech-Methoden.

Gesetzliche Krankenkassen

Das beunruhigte einen Besucher. Er fürchtete, dass die gesetzlichen Krankenkassen die hohen Kosten für solche Behandlungsmethoden nicht übernehmen würden. „Wenn solch eine exklusive Therapie notwendig ist, dann bekommt der Patient sie. Auch im deutschen Gesundheitssystem“, beruhigt Sauerwein.

Doch der beste Ansatz bei der Krebsbehandlung sei noch immer, dafür zu sorgen, dass er gar nicht erst entsteht. „Der beste Schutz ist eine ausgewogene Ernährung, reichlich Bewegung und das Vermeiden von Extremen, besonders Rauchen und Alkohol.“