Essen. . Vor zwei Jahren besuchte Tammy Schmack vom Babybesuchsdienst der Stadt Familie Letzner. Nun trafen sie sich wieder - und zogen eine erste Bilanz zum neuen Angebot des Jugendamtes. 2010 schaute der Babybesuchsdienst in 2000 Essener Familien vorbei.

Jule ist am 1. April 2009 zur Welt gekommen, punktgenau für ein neues Angebot des Jugendamtes: Vor zwei Jahren im April nahm der Babybesuchsdienst der Stadt seine Arbeit auf. Seither schreibt er alle Mütter von Erstgeborenen an, kündigt ihnen einen Besuch an. Susanne Letzner, Jules Mutter, hat den ersten Termin abgesagt, aber nicht aus Unwillen, sondern „weil Jule einen Leistenbruch hatte“.

Der Termin wurde nachgeholt - und zum vollen Erfolg. „Wir haben richtig nett und lang geplauscht“, erinnert sich die junge Mutter. „Bei den ersten Besuchen hab’ ich mein Zeitbudget immer überzogen“, lacht Tammy Schmack (26) vom Besuchsdienst. Dabei hatte Susanne Letzner gar nicht viele Fragen: Sie arbeitet bei der Geburten-Neuanmeldung der Stadt und hat einen Freundeskreis mit vielen Kindern - eine bestens vorbereitete Mutter. Eltern- und Kindergeld waren beantragt, der Kinderarzt gefunden. „Aber die Kindergarten-Anmeldung war Thema: Wann melde ich Jule an, wie sind die Aussichten auf einen Platz?“

Das Thema Kita interessiert jeden

Tammy Schmack bestätigt: „Das Thema Kita interessiert jede Mutter, auch die, die am Telefon sagen: ,Sie brauchen nicht zu kommen.’“ Wenn sich das Jugendamt ankündige, witterten viele Leute Kontrolle und Einmischung; mancher reagiere da misstrauisch. „Darum steht in unserem Brief, dass man den Besuch absagen kann.“ Die Tasche mit dem Info-Material gebe es auch im Familienpunkt.

Doch die wenigsten Eltern weichen dorthin aus, fast alle empfangen den Babybesuchsdienst: Im Jahr 2010 schaute er in 2000 Familien vorbei. Damit darf sich das Jugendamt in einem Paradigmenwechsel bestätigt fühlen: Weg von der Intervention hin zur Prävention. Statt erst einzugreifen, wenn Familien scheitern, will man allen Familien Unterstützung anbieten. Von Anfang an.

Die Angst, dass der Besuchsdienst komme, um rumzuschnüffeln, ob das Kind gebadet und die Wohnung geputzt ist, sei also unbegründet, betont Koordinatorin Daniela ten Thije. Vielmehr gehe es darum, auf hilfreiche Angebote aufmerksam zu machen: auf Pekip-Gruppe, Babyschwimmen, Mütter-Café oder Spielgruppe. Darüber freuten sich gerade Eltern, die nicht so gut eingebunden sind wie Familie Letzner; etwa weil sie aus einer anderen Stadt zugezogen sind oder aus dem Ausland kommen. Auf Wunsch bringe sie auch einen Dolmetscher mit, sagt Tammy Schmack. „Ich hatte mal ein Gespräch auf Koreanisch.“

Auf Wunsch kommt ein Dolmetscher mit

Und sie habe auch mal Familien erlebt, die keinen Plausch brauchten, sondern handfeste Hilfe. Dreieinhalb Stunden hat sie mit einer alleinerziehenden Mutter gesprochen und sie später zum Allgemeinen Sozialdienst begleitet. „Das ist nicht meine Aufgabe, doch die Frau hatte ja zu mir Vertrauen gefasst.“ In zwei Stadtteilen gebe es schon „Familien-Coachs“, die Eltern langfristiger unterstützen, ergänzt Daniela ten Thije.

Familie Letzner ist prima ohne Hilfe vom Amt ausgekommen. Erst hat Susanne ein Jahr Elternzeit genommen, dann ihr Mann Jerome, der in Düsseldorf im Bereich Con-trolling arbeitet. „Mein Chef war erst sehr perplex.“ Doch Letzner arbeitete während der Elternzeit 15 Wochenstunden und kehrte vor sechs Wochen in Vollzeit an seinen Arbeitsplatz zurück. Die Zeit mit Jule möchte er nicht missen: „Und jetzt nimmt einer meiner Kollegen auch Elternzeit.“

Wenn im August der Sohn der Letzners zur Welt kommt, nimmt trotzdem Susanne die Elternzeit allein. Mit zwei kleinen Kindern wolle sie erstmal nicht Vollzeit arbeiten. „Ich bin aber sehr froh, dass bei uns jeder mal die Perspektive des anderen kennen gelernt hat.“