Margarethenhöhe. Benjamin Aron ist fünf Wochen alt und verschläft das Gespräch friedlich und mit „Stinkehose”, wie Mutter Elena Schmidt (39) schmunzelnd feststellt.
Seit drei Jahren lebt die gebürtige Holländerin, die schon an vielen Orten gewohnt hat, mit ihrem Mann auf der Margarethenhöhe und fühlt sich „wie im Paradies”. Jetzt hat sie ihr erstes Kind bekommen und erhielt dazu eine Glückwunschkarte des Jugendamtes, in der Sozialarbeiterin Heidelotte Rüth-Henkel der frisch gebackenen Mutter ihren Besuch ankündigte. „Ich war erst überrascht, habe dann aber das Angebot gern angenommen und so viele sinnvolle Informationen und eine total praktische Kinderwagentasche mit Info-Materialien erhalten”, sagt Elena Schmidt. Auch ein Buch als Geschenk fürs Baby war dabei.
Seit dem 1. April hat das Jugendamt seinen Baby-Besuchsdienst stadtweit eingeführt. Vorausgegangen war 2008 eine elfmonatige Erprobungsphase in Altenessen und Altendorf, in deren Rahmen 117 Familien besucht wurden. Zwölf Honorarkräfte - Erzieher, Sozialarbeiter, Krankenschwestern und Lehrer, die eine 26-Stunden-Schulung vor dem ersten Einsatz erhalten, sind im Stadtgebiet unterwegs. Alle Eltern von Erstgeborenen erhalten das Kärtchen mit einem Terminvorschlag. „Die Eltern können den Termin natürlich auch verschieben oder ganz ablehnen, aber letzteres kommt selten vor”, erklärt Anja Massenberg, Sozialarbeiterin und Projektkoordinatorin für den Baby-Besuchsdienst beim Jugendamt.
„Ganz wichtig: Wir machen keine Kontroll-, sondern Informationsbesuche. Natürlich bekommen wir einen Eindruck, wie es in den Familien so läuft. Wir wollen frühzeitig über Hilfs- und Beratungsangebote informieren, über den nächsten Kinderarzt, Pekip-Gruppen, Kindergärten oder auch Einrichtungen wie die Schreiambulanz”, betont Anja Massenberg. Die Besuche finden in den ersten sechs Wochen nach der Geburt statt.
Der Bedarf sei erfahrungsgemäß groß, denn die jungen Mütter müssten sich auf eine ganz neue Situation einstellen und hätten sich mit vielen Themen vorher gar nicht beschäftigt. Broschüren und Flyer informierten deshalb allgemein über die Entwicklung des Kindes, U-Untersuchungen, Elterngeld, Babyschwimmen und Angebote der Kinderbetreuung. Die Besuche dauern in der Regel eine Stunde, können bei größerem Beratungsbedarf aber auch verlängert werden. Infos gibt es teils in sieben Sprachen. „Aber einen Dolmetscher haben wir bisher noch nicht gebraucht”, erklärt Anja Massenberg.
In Essen gebe es jährlich rund 1700 Erstlingsgeburten. „Im April haben wir 171 Einladungen verschickt und 139 Hausbesuche gemacht”, freut sich die Sozialarbeiterin, dass das Angebot so gut ankommt. Einige Eltern, die keinen Besuch wünschten, holten sich dennoch die Info-Tasche im Familienpunkt ab. Wichtig sei es, Netzwerke aufzubauen und Austausch-Möglichkeiten für junge Eltern zu schaffen. „Wenn wir wissen, was gewünscht ist und was fehlt, können wir entsprechende Angebote konzipieren”, so Anja Massenberg. So gebe es Stadtteile, in denen keine Pekip-Gruppen existierten, aber durchaus aufgebaut werden könnten.
„Natürlich kann es Situatioen geben, in denen junge Eltern überfordert sind. Aber man muss nicht alles aushalten, sondern man kann sich Hilfe, zum Beispiel durch die Schreiambulanz, holen”, erläutert Heidelotte Rüth-Henkel. Es gebe einen Rechtsanspruch auf Hilfe.