Essen. . Jede vierte Straftat in Essen wird von einem Jugendlichen begangen. Die Jugendgerichtshilfe rückt den Tätern mit unterschiedlichen Kursangeboten zu Leibe. Die Aufklärungsarbeit habe Erfolg: Rund 80 Prozent kämen nicht wieder vor Gericht.
Ein Drittel aller Ladendiebstähle in Essen wird von Jugendlichen begangen, allein 2010 waren das rund 1500 Fälle. „Oftmals sind es kleine Sachen, Ohrringe, T-Shirts. Viele Jugendlichen klauen, ohne genau zu wissen, warum“, sagt Vera Lemke von der Jugendgerichtshilfe (JGH). Damit die jungen Straftäter aber wissen, welchen Schaden sie Kunden und Händler zufügen, müssen Essener Langfinger zum Ladendiebstahlkurs. Die Aufklärungsarbeit habe Erfolg, so Lemke: „80 Prozent der Jugendlichen sehen wir nicht noch einmal vor Gericht.“
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Der Ladendiebstahlskurs, kurz „Ladi“ genannt, gehört seit mehr als einem Jahrzehnt zum festen Maßnahmenpaket der JGH, mit dem die 24 Mitarbeiter den jugendlichen Straftätern in dieser Stadt auf den Pelz rücken wollen. Allein 2010 betreuten sie knapp 5900 Fälle; mehr als 600 Jugendliche haben auf richterliche Anweisung an 52 angebotenen JGH-Kursen teilgenommen – von der Verkehrserziehung bis zum Anti-Gewalt-Training, von der eintägigen Beratung bis zum 40-stündigen Gruppenangebot. Wer sich weigert, muss mit Beugehaft oder Umwandlung der Strafe rechnen.
"Oft sind es die Eltern, die Jugendlichen Falsches vorleben."
Zum „Ladi“ kommen meist Ersttäter. Kursleiterin Christel Langemark weiß: „Oft sind es die Eltern, die Jugendlichen Falsches vorleben.“ Mit der Bankkarte bezahlen, ohne zu wissen, ob das Konto gedeckt ist, an der Kühltheke eine Flasche herausnehmen und daraus trinken, bevor man sie gekauft hat. „Jugendliche wissen nicht, wie nah so ein Verhalten an einer Straftat ist.“ Darüber klärt sie im Kurs auf, zeigt auch, welchen volkswirtschaftlichen Schaden die Langfinger anrichten: Zwischen Juli 2009 und Juni 2010 verschwanden aus den Regalen deutscher Einzelhändler Waren im Wert von knapp fünf Milliarden Euro. „Dass sie mit einem Diebstahl dem Kunden und somit sich selbst schaden, wissen die wenigsten.“
Damit aus Erst- keine Wiederholungstäter werden, setzt ein anderer JGH-Kurs früher an: „Viele Straftaten hängen damit zusammen, dass Jugendliche hohe Schulden haben“, sagt Beate Götzen, Leiterin der JGH. Deshalb gibt es in Kooperation mit der Schuldnerberatungsstelle ein freiwilliges Gruppenangebot. „Die Hürde, selbst zur Beratungsstelle zu gehen, ist hoch.“ Doch auch den eintätigen Kurs nutzen nur wenige: „Wenn acht angemeldet sind, kommen zwei“, sagt Vera Lemke. „Wenn wenigstens einer von ihnen danach zum zweiten Termin die Beratungsstelle geht, ist das ein Erfolg.“
"Prävention und frühe Intervention"
Ganz andere Wirkung haben die mehrwöchigen Kurse, bei denen junge Straftäter etwa soziale Kompetenzen erlernen sollen: Sich beim Kennenlernen vorstellen, Augenkontakt halten, Händedruck – „solche einfachen Dinge fehlen vielen“, so Lemke. Der Kurs solle das Selbstbewusstsein der Jugendlichen stärken, zeigen, wie Konflikte gewaltfrei zu lösen sind. „Prävention und frühe Intervention“, das sind die Prinzipien, nach denen die JGH arbeitet.
Das gilt auch für „Fred“, einem dreiteiligen Kurs für Jungen zur „Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten“, bei dem es vor allem um den Konsum von Cannabis geht. „98 Prozent der Straftaten in diesem Bereich werden von Jungen begangen“, sagt Lemke. Sie klärt die Jugendlichen über Inhaltsstoffe, Rechtslage und Folgen des Kiffens auf. Hilft’s? Kriminalhauptkommissar Heinz Stiefken-Badin lobt den Ansatz: „Je früher die Intervention, desto besser.“