Essen. . In den Bussen und Bahnen der Essener Verkehrs-AG wird Allerhand vergessen, sogar Dampfgarer und Tintenstrahldrucker. Alle sechs Monate leeren die Verkehrsbetriebe ihre Fundsachenkammer und versteigern Gefundenes - von Regenschirmen bis zu Bibeln.
Ja, ist denn schon wieder Weihnachten? Die Essener Verkehrs-AG versteigert in Bussen und Bahnen vergessene Gegenstände. Handtaschen und Rucksäcke sind die reinsten Überraschungspakete. Wie viele Mütter mögen über all diese verlorenen Kinder-Sporttaschen ins Schimpfen gekommen sein? Zur Fundsachenversteigerung der Essener Verkehrsbetriebe nun biegen sich Tische unter Marken-Handgepäck und Stoffbeuteln, aus denen Turnschuhe ragen. Was sonst noch in Tüten und Taschen ist? Ist Geheimsache. Denn zunächst kommen Regenschirme unter den Hammer.
Regenschirme im Dutzend
Und weil man beim Räumen der Lager viele, sehr viele Schirme fand, gehen sie nicht einzeln, sondern gebündelt über die Theke der Lagerhalle. Fünf Knirpse und zehn Stockschirme preist Obergerichtsvollzieher Peter Sickermann zum warm werden an. Für „einen Euro“ zum Ersten, „zwei Euro“ zum Zweiten und zum Letzten schließlich „fünf Euro“ gehen sie an einen Herrn in Rot. Der ersteigert weitere Pakete, weiß am Ende selbst nicht, ob er nun 150 oder 300 Stock- und Taschenschirme gekauft hat. Das klingt nach viel – und ist ihm doch nicht genug. Man merke ja doch, dass es im vergangenen Jahr nicht so ergiebig geregnet habe, „sonst werden wesentlich mehr Schirme versteigert.“
Als Stammkunde, also bei den Versteigerungen in Herbst und Frühjahr, kennt er sich aus, ist mit einem Limit („ich zahle für nichts mehr als fünf Euro“) und großem Auto („sonst krieg’ ich das hier alles nicht weg“) angereist. „Wenn ich es weiter verkaufe bringt ein Schirm ein bis zwei Euro.“ Sporttrikots gingen immer gut, teure Markenrucksäcke sowieso. Und bei eben diesen langt Sickermann in der Rolle des Auktionators jetzt an. Drei Rucksäcke unbekannten Inhalts hält ein Evag-Mitarbeiter in die Höhe. Der Herr in Rot schlägt zu und zieht - wenig überraschend - Turnschuhe und verschwitztes Sportzeug aus dem Beutel. Nein, waschen würde er die Sachen nicht, bevor er sie weiter verkaufe, „das verursacht mir nur Kosten und rechnet sich nicht.“
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Nächster Zuschlag – zwei Rucksäcke und eine Kindersporttasche wechseln für zwölf Euro den Besitzer. Beim Auspacken findet sich eine Mädchenjacke - mutmaßlich geklaut –, an der noch die Sicherheitsplakette eines Discounters pappt. Eine Kunstlederjacke kommt zum Vorschein, die Norbert Huhnholt dem frisch gebackenen Besitzer für zwei Euro gleich wieder abkauft. „Genau die Größe, die meinem Sohn passt“, sagt er. Dann konzentriert er sich wieder aufs Bieten. Dabei: „Früher, als es noch die D-Mark gab, waren wir öfter hier“, sagt Huhnholt. Der Euro aber mache alles teuer, auch die Überraschungspäckchen – von denen er und seine Frau Andrea gleich einen ganzen Berg ersteigern. Vier Rucksäcke plus zwei Taschen plus drei Tüten, ach, die Ausbeute würde reichen, um einen übergroßen Adventskalender zu bestücken. Was nun eigentlich drin ist? „Das packen wir erst zu Hause aus“, sagt Andrea Huhnholt. Das mache ja grade den Spaß und Reiz an Versteigerungen aus.
Als die Taschen ausverkauft sind, kommen Bücherpakete, drei Bibeln und ein Grisham für zwei Euro. Spannbettlaken für Wasserbetten und Dampfgarer blieben neben Bambusrollos und Tintenstrahldruckern in Bussen und Bahnen liegen.
Brillen und Gehstützen
Schwer zu glauben, dass der Pendler nicht erinnern kann, wo er derart sperriges Gepäck zuletzt in Händen hatte. Gut, man mag Nordic-Walking Stöcke (als Beigabe in einem Schirmpaket für drei Euro verkauft) nicht vermissen, aber man darf doch mit Fug und Recht denken, dass der hinkende Fahrgast beim Aussteigen Unterarmgehstützen vermissen müsste. Dass die vergessene Brille spätestens Stolpern aus dem Bus auf den Gehweg auffällt. Doch weit gefehlt. Sechs Monate Aufbewahrungszeit strichen ins Land, derweil die Fundsachenkammer sich füllte. Nun sind die Regale wieder leer – bis zum nächsten großen Regen.