Essen. Aufklärung und Aufregung - Die Universitätsbibliothek Essen zeigt die Ausstellung „50 Jahre Schwule und Lesben in der Bravo“. Am 17. Mai kommt Dr. Martin Goldstein, der hinter dem Pseudonym Dr. Sommer steckt, zu Besuch.

Sein Liebeslexikon liegt jetzt in der Vitrine. Für Besucher zur Schau gestellt. Das findet Erwin In het Panhuis witzig, hat er es doch in den 70er und 80er Jahren leidenschaftlich gesammelt. Nun sind die Blätter Teil einer Ausstellung, die in der Universitätsbibliothek gezeigt wird: „50 Jahre Schwule und Lesben in der Bravo.“

Durch die Vorbereitungen ist der 45-jährige Kölner regelrecht zum Bravo-Experten geworden: „Wenn man so eine Ausstellung plant, dann sollte man alle Hefte in der Hand gehabt haben.“ 2700 sind es geworden. Gefunden hat er sie als Mikrofilm in der Kölner Uni-Bibliothek. Manche Hefte hat er im Internet ersteigert. 25 Euro kostete die Erstausgabe bei Ebay, obwohl es ein Nachdruck war, erzählt er.

Kölner Centrum Schwule Geschichte ließ Homosexualität in der Zeitschrift aufarbeiten

Wie es überhaupt zur Ausstellung kam: Als die Bravo 2006 ihren 50. Geburtstag feierte, fand sich das Kölner Centrum Schwule Geschichte, sie könnten Homosexualität in der Zeitschrift aufarbeiten, berichtet In het Panhuis, der ehrenamtlicher Vorsitzender des Centrums ist. Einen Job hat der Diplom-Bibliothekar zu der Zeit nicht gehabt, also widmete er sich der Bravo.

Er selbst hat sie so mit 16 oder 17 Jahren gelesen. Viel zu spät: „Ich schäme mich fast dafür“, sagt er schmunzelnd. Nicht aber für das Poster mit der barbusigen Bo Derek, das sein großer Bruder aufhängte, als er 15 war. Das Bild musste wieder weg.

Die Bravo gehört einfach zum Erwachsenwerden

Schon damals fanden Erwachsene die Bravo zwar nicht koscher, verboten war sie nicht. Sie gehört(e) einfach zum Erwachsenwerden, sei eine Art Jugendbewegung im Kleinen. Heute stellt der 45-Jährige fest, dass Erwachsene bei Bravo an Dr. Sommer denken. Jugendliche kaufen sie aber eher wegen der Musik- und Bandberichte. „Ich habe außer dem Liebeslexikon auch ABBA-Poster gesammelt.“

Bravo-Ausstellung

Ausstellungsmacher Erwin In het Panhuis zeigt Bravo-Exponate in Duisburger Stadtbibliothek. 

Bild: Stephan Glagla / WAZ FotoPool
Ausstellungsmacher Erwin In het Panhuis zeigt Bravo-Exponate in Duisburger Stadtbibliothek. Bild: Stephan Glagla / WAZ FotoPool © Stephan Glagla / WAZ FotoPool
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Überrascht hat In het Panhuis die Berichterstattung über Aids und HIV, weil sie schlecht sei. Das Problembewusstsein fehle. Wenig Gutes gibt es auch über die Vorgängerin von Dr. Sommer: Marie Louise Fischer agierte als Dr. Vollmer und war außerdem Trivialschriftstellerin (Das gefährliche Leben der Monika Berg). Immerhin: Mit ihr begann 1962 die Sexualaufklärung in der Bravo. Tabus fielen. Doch sie habe lediglich unterhalten wollen. „Sag nein, das wie ein Vielleicht klingt“, schrieb sie auf die Frage: „Was sage ich meinem Freund, der mit mir schlafen will?“

Mit Dr. Sommer kamen klare Aussagen

Dann kam 1969 Dr. Sommer, hinter dem Pseudonym steckte Psychotherapeut Dr. Martin Goldstein. Mit ihm kamen klare Aussagen. Beiträge zur gleichgeschlechtlichen Liebe wurden möglich.

Die Ausstellung zeigt Ausschnitte aus den Anfängen von Dr. Sommer. Dazu Tafeln mit Reportagen, Berichten zum Nacktsein, Lovestorys und Geschichten wie der von Sven und Uwe. 1000 Berichte zur Homosexualität hat Erwin In het Panhuis in der Bravo gefunden. Zwei Drittel fallen in den Bereich Sexualaufklärung. Dem Thema widmet sich die Ausstellung in der Essener Unibibliothek. In der Duisburger geht es um Berichte aus den Rubriken Film und Musik.

Schwule in der Bravo

Schwule umpolen? Als die Deutschen offener über Schwule und Lesben sprachen, hatten die Jugendlichen viele Fragen, so wie diese aus dem Jahr 1983. Der Ausschnitt aus der Jugendzeitschrift Bravo gehört zur Ausstellung
Schwule umpolen? Als die Deutschen offener über Schwule und Lesben sprachen, hatten die Jugendlichen viele Fragen, so wie diese aus dem Jahr 1983. Der Ausschnitt aus der Jugendzeitschrift Bravo gehört zur Ausstellung "50 Jahre Schwule und Lesben in der Bravo", die in Köln zu sehen ist. Sie zeigt, wie die Jugendzeitschrift mit dem Thema umging.
Hinter den Bravo-Aufklärungsseiten steckte dieser Mann: Dr. Sommer, der jede Woche körbeweise Briefe von pubertierenden Jugendlichen bekam. Viele Verunsicherte beruhigte er mit den groß gedruckten Worten:
Hinter den Bravo-Aufklärungsseiten steckte dieser Mann: Dr. Sommer, der jede Woche körbeweise Briefe von pubertierenden Jugendlichen bekam. Viele Verunsicherte beruhigte er mit den groß gedruckten Worten: "Du bist nicht schwul!" Die Ausstellung zeigt erstmals Fotos wie dieses aus den 70er-Jahren, als "Dr. Sommer" noch persönlich den Kummerkasten leerte.
"Dr. Sommer" war natürlich ein Pseudonym - der Mann hieß Martin Goldstein und war Arzt und Sozialarbeiter. Für Bravo arbeitete er von 1969 bis 1984. Die Aufklärungsseiten erscheinen aber noch immer unter der Marke "Dr. Sommer" - dagegen hatte Goldstein nach seinem Ausscheiden sogar geklagt.
Heute ist Goldstein 83 Jahre alt. Fragen zum
Heute ist Goldstein 83 Jahre alt. Fragen zum "ersten Mal" waren ein Dauerbrenner in der Bravo - seinen ersten Sex hatte Goldstein nach eigenen Angaben erst mit 27 Jahren. Bei der Ausstellungseröffnung wird er auch dabei sein.
Das Dr.-Sommer-Team bei der Arbeit. Schon kurz, nachdem der Chef mit seiner Arbeit begonnen hatte, musste die Zeitschrift zusätzliche Experten einstellen, um die vielen Zuschriften zu bewältigen.
Das Dr.-Sommer-Team bei der Arbeit. Schon kurz, nachdem der Chef mit seiner Arbeit begonnen hatte, musste die Zeitschrift zusätzliche Experten einstellen, um die vielen Zuschriften zu bewältigen.
Auch in der Bravo war nicht jede Formulierung genehm: Was 1983, wie bei dieser Frage, zu explizit schien, schrieben die Redakteure um. So wurde
Auch in der Bravo war nicht jede Formulierung genehm: Was 1983, wie bei dieser Frage, zu explizit schien, schrieben die Redakteure um. So wurde "gegenseitig befriedigen" zu "zärtlich zueinander sein". Der Ausschnitt gehört zum Begleitbuch der Ausstellung - er zeigt, dass auch Bravo nicht jedes Tabu brach.
"Wenn Mädchen Mann und Frau spielen": So lautete der Titel einer Reportage über Sex zwischen Mädchen aus dem Jahr 1972. Verfasst hatte sie "Dr. Alexander Korff" - auch dies ein Pseudonym von Martin Goldstein.
Auf der Titelseite erschien die Überschrift nicht ganz so poetisch.
Auf der Titelseite erschien die Überschrift nicht ganz so poetisch.
Auch eine Reportage über Selbstbefriedigung druckte die Bravo als Werk von Dr. Alexander Korff. Viele dieser Geschichten waren von Goldsteins eigenen Liebeserlebnissen inspiriert. Unter Pseudonym schrieb er, weil er als Therapeut keinen schlechten Ruf bekommen wollte.
Auch eine Reportage über Selbstbefriedigung druckte die Bravo als Werk von Dr. Alexander Korff. Viele dieser Geschichten waren von Goldsteins eigenen Liebeserlebnissen inspiriert. Unter Pseudonym schrieb er, weil er als Therapeut keinen schlechten Ruf bekommen wollte.
"Soll man schwule Stars enttarnen?" Das fragte die Bravo im Januar 1992, kurz nachdem bekannt worden war, dass Hape Kerkeling schwul ist.
Manchmal sorgte Bravo sogar selbst für Schlagzeilen - wie 2004, als sich der schwule Sohn einer bayerischen Bürgermeisterin nackt im Heft präsentierte.
Manchmal sorgte Bravo sogar selbst für Schlagzeilen - wie 2004, als sich der schwule Sohn einer bayerischen Bürgermeisterin nackt im Heft präsentierte.
Durch die Komödie
Durch die Komödie "Traumschiff Surprise" konnte auch Bravo dem Thema Homosexualität seine witzige Seite abringen.
Die Ausstellung selbst findet in einer evangelischen Kirche statt. Bravo bekommt dort sogar eine Geburtstagstorte kredenzt - zur Eröffnung wird die Jugendzeitschrift 54 Jahre alt. Bilder: Centrum Schwule Geschichte
Die Ausstellung selbst findet in einer evangelischen Kirche statt. Bravo bekommt dort sogar eine Geburtstagstorte kredenzt - zur Eröffnung wird die Jugendzeitschrift 54 Jahre alt. Bilder: Centrum Schwule Geschichte
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"Mehr nacktes Fleisch statt schematischer Darstellungen“

Vieles werde heute nicht mehr so heiß diskutiert, sagt der Experte. Und: „Es gibt mehr nacktes Fleisch statt schematischer Darstellungen.“ Die Bravo in ihren Anfängen: für Erwin In het Panhuis ein wildes Experiment: „Eine Zeitschrift für junge Erwachsene, die so viele Facetten hat.“

Woher sollten Einnahmen kommen, wenn nicht aus Pickelcreme-Reklame? Mit einer Auflage von 30.000 ging es los, 1,5 Millionen waren es in den 70ern, sagt der Experte. Da landete sie auch auf dem Index, verkaufe heute wöchentlich bis zu 400.000 Hefte.

Das Thema Medien und Populärkultur findet Erwin In het Panhuis auch fünf Jahre nach Beginn seiner Bravo-Recherchen spannend. Arbeit hat er zwar noch nicht gefunden, dafür ein neues Projekt: „20 Jahre Schwule und Lesben bei den Simpsons.“

Dr. Sommer kommt

Die Ausstellung 50 Jahre Schwule und Lesben in der Bravo ist bis 10. Juni, mo-fr, 8 bis 22 Uhr, sa und so, 10 bis 18 Uhr in den Uni-Bibliotheken Essen und Duisburg. Am Dienstag, 17. Mai, ist Dr. Sommer alias Dr. Martin Goldstein zu Gast.

Bravo - die Stars

Die No Angels 2001. Ein
Die No Angels 2001. Ein "Traumtreff mit den Backstreet Boys" ist außerdem Thema. © Bravo
Elvis Presley ist Cover-Star dieser Ausgabe von 1969. Weiteres Thema:
Elvis Presley ist Cover-Star dieser Ausgabe von 1969. Weiteres Thema: "Wenn Mädchen Mädchen verführen". © Bravo
Nena war in den 80er Jahren der Star der Neuen Deutschen Welle. Hier ein Cover von 1984. © Bravo
Nena war in den 80er Jahren der Star der Neuen Deutschen Welle. Hier ein Cover von 1984. © Bravo
Der britische Popmusiker Barry Ryan 1969. Thema außerdem:
Der britische Popmusiker Barry Ryan 1969. Thema außerdem: "Was Mädchen verschweigen". © Bravo
"Abba intim" - als Zugabe liegt 1975 ein Mini-Poster bei. © Bravo
Christina Aguilera spricht 2006 über ihre Kindheit. © Bravo
Christina Aguilera spricht 2006 über ihre Kindheit. © Bravo
DSDS-Kandidat Pietro betont in der Bravo
DSDS-Kandidat Pietro betont in der Bravo "Ich bin nicht dumm" und will das mit einem Intelligenztest beweisen. © Bravo
Die Bravo 1956 mit Marilyn Monroe. Damals kostete die Zeitschrift 50 Pfennig. © Bravo
Die Bravo 1956 mit Marilyn Monroe. Damals kostete die Zeitschrift 50 Pfennig. © Bravo
Bravo 2006 - die Mädchen schwärmen für Tokio Hotel. US 5 und Avril Lavigne sind Themen bei den Jugendlichen. © Bravo
Bravo 2006 - die Mädchen schwärmen für Tokio Hotel. US 5 und Avril Lavigne sind Themen bei den Jugendlichen. © Bravo
Popsänger Limahl - hier 1984 - gelang der Durchbruch als Sänger der Band Kajagoogoo. © Bravo
Popsänger Limahl - hier 1984 - gelang der Durchbruch als Sänger der Band Kajagoogoo. © Bravo
Britney Spears 1999. Aber auch die Soap
Britney Spears 1999. Aber auch die Soap "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" war angesagt. © Bravo
Popstar Sasha war 1999 angesagt. Weitere Themen: Kelly Family, Tarkan und 3. Generation. © Bravo
Popstar Sasha war 1999 angesagt. Weitere Themen: Kelly Family, Tarkan und 3. Generation. © Bravo
Die Beatles 1965 auf einem Bravo-Cover. © Bravo
Die Beatles 1965 auf einem Bravo-Cover. © Bravo
1979 war Peter Maffay noch ein junger Mann. Außerdem gibt es ein Travolta-Poster. © Bravo
1979 war Peter Maffay noch ein junger Mann. Außerdem gibt es ein Travolta-Poster. © Bravo
Michael Jackson 1989 - und
Michael Jackson 1989 - und "total angesagt": eine Batman-Verlosung. © Bravo
"Drei "tolle Poster": Winnetou, Dracula und Smokie 1979. © Bravo
Madonna 1992. Poster gibt es von Baywatch und Wrestlern. © Bravo
Madonna 1992. Poster gibt es von Baywatch und Wrestlern. © Bravo
Eminem spielt 2002 mit seinem
Eminem spielt 2002 mit seinem "Bad Boy"-Image. Außerdem gibt es Neuigkeiten zu Nelly und Jeanette Biedermann. © Bravo
Ganz aktuell: Justin Bieber ist 2011 angesagt. © Bravo
Ganz aktuell: Justin Bieber ist 2011 angesagt. © Bravo
DSDS ist ein wichtiges Thema für die Jugendlichen. Auf dem Cover: Kandidat Sebastian. © Bravo
DSDS ist ein wichtiges Thema für die Jugendlichen. Auf dem Cover: Kandidat Sebastian. © Bravo
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