Essen.

Die Mitgliederzahlen der etablierten Kirchen schrumpfen in Essen stetig. Doch es gibt auch einen Trend zum Wiedereintritt, wie Pfarrer Ulrich Holste-Helmer festgestellt hat. Er betreut die „Wiedereintrittsstelle“ an der Marktkirche.

Die Evangelische Kirche in Essen schrumpft stetig. Gab es im Jahr 1960 noch 321 000 Mitglieder, waren es 50 Jahre später, im Jahr 2010, nur noch 153 000. Grund ist hauptsächlich der demografische Wandel, doch auch Kirchenaustritte tragen zum Mitgliederschwund bei. Diesem Prozess entgegen steht eine andere Entwicklung: Menschen treten wieder in die Kirche ein. 245 waren es zum Beispiel im Jahr 2009.

80 bis 90 Menschen jährlich wollen zurückkehren

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Seit 2001 ist der Wiedereintritt in die Evangelische Kirche nicht nur in einer Kirchengemeinde, sondern auch in zentralen, anerkannten „Wiedereintrittsstellen“ möglich. Die Marktkirche in der Innenstadt etwa ist so eine. „Im Schnitt kommen jährlich 80 bis 90 Menschen hierher, die wieder in die Kirche eintreten möchte“, sagt Pfarrer Ulrich Holste-Helmer. Er koordiniert die Dienste von rund 20 Seelsorgern, die abwechselnd an je einem Nachmittag in der Woche die Rückkehr-Willigen empfangen. Durchschnittlich 20 Minuten dauert ein Wiedereintritts-Gespräch, während dem der Pfarrer und sein Gegenüber die Gründe für den Wiedereintrittswunsch besprechen. „Das ist aber nicht als Prüfung oder Eignungstest zu verstehen“, erklärt Holste-Helmer. Am Ende heißt es immer: „Willkommen in der Kirche“.

Doch was bewegt Menschen dazu, in die Kirche zurückzukehren? Holste-Helmer nennt Beispiele. Er erzählt von einem jungen Mann, der gebeten wurde, die Patenschaft für ein Kind zu übernehmen. „Dafür müsste er eigentlich nicht Kirchenmitglied sein, er könnte auch als Taufzeuge auftreten“, sagt Holste-Helmer. Doch im Gespräch habe sich gezeigt, dass der Mann, der Jahre zuvor aus der Kirche ausgetreten sei, erneut begonnen habe, sich mit seinem Glauben auseinanderzusetzen. „Kinder können Anlass für einen Wiedereintritt sein. Das erlebe ich häufig“, sagt der Pfarrer.

„Ich denke, es geht solchen Menschen um die gefühlte Gemeinschaft“

Abriss einer Kirche

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    Dann erzählt Holste-Helmer von einer älteren Frau, die der Kirche wieder beitreten wollte. Sie selbst sei Hausfrau gewesen, und ihr Mann, der dem Thema „Glauben“ nicht positiv gegenüber stand, sei es leid gewesen, für sie Kirchensteuer abzuführen. Als die gemeinsamen Kinder aus dem Haus waren, begann die Frau wieder zu arbeiten. Jetzt, da sie wieder ihr eigenes Geld verdiente, wollte sie auch wieder der Kirche beitreten – und dafür Kirchensteuer zahlen. „Ich denke, es geht solchen Menschen um die gefühlte Gemeinschaft, die sie in der Kirche erleben“, sagt der Pfarrer, der aber zugleich beobachte, dass gerade bei Protestanten ein anderer Gedanke weit verbreitet sei, nämlich: „Ich kann auch ohne Kirche Christ sein.“

    Nun gibt es aber auch Fälle, berichtet Holste-Helmer, in denen ein Arbeitgeber die Kirchenzugehörigkeit voraussetzt. „Das ist immer ein bisschen heikel, wenn Wiedereintrittswillige dies als Grund angeben“, sagt der Pfarrer. „Es gilt dann, im Gespräch zu klären, ob dieser Schritt für den Betroffenen stimmig ist, oder eher einer innerlichen Vergewaltigung gleichkommt, denn dann hat es keinen Sinn.“