Die aktuelle Diskussion um sexuellen und körperlichen Missbrauch von Kindern durch Vertreter der katholischen Kirche hat die Zahl der Kirchenaustritte im Bistum Essen deutlich nach oben schnellen lassen: Im März unterschrieben 749 Kirchenmitglieder ihre Austrittserklärung.

In Mülheim traten im Januar und Februar 25 bzw. 28 Menschen aus, das sind weniger als noch in denselben Monaten des Vorjahres (38, 43). Im März 2010 verdoppelte sich die Zahl der Austritte jedoch auf 64. „Die März-Zahlen sind ein Zeichen dafür, dass die Missbrauch-Debatte eine Rolle spielte“, räumt Ulrich Lota, Sprecher des Bistums, ein.

Betrachtet man das gesamte Quartal ist die Zahl der Kirchenaustritte in Mülheim und im Bistum noch nicht höher als in den ersten drei Monaten 2009. Damals zählte das Bistum Essen allerdings einen hohen Anstieg der Zahl auf 1361. „Da hat sich die Wirtschaftskrise bemerkbar ge­macht; viele sind ausgetreten, um Kirchensteuer zu sparen“, meint Lota. Er wolle die Zahlen jedoch nicht schön reden.

Um die Krise der Kirche zu überwinden, sieht Bischof Franz-Josef Overbeck als dringlichste Maßnahme, wieder Glaubwürdigkeit zu­rück­zugewinnen. Seine Ziel dabei: Mit allen schlimmen Fällen möglichst offen, sachlich und transparent umgehen. Wer sich Verfehlungen zu Schulden kommen ließ, soll aus dem Amt entfernt werden. Overbeck sei hier „gnadenlos konsequent“, heißt es.

Das Bistum will nun in einem Arbeitskreis überlegen, wie man mit ausgetretenen oder Austritt-bereiten Christen umgeht – und diese wieder für sich gewinnt. Lota betrachtet die Bemühungen „mit Spannung und Skepsis, welchen Reaktionen sie hervorrufen.“ Wer aus der Kirche ausgetreten sei, habe sich häufig lange mit der Institution auseinandergesetzt. „Es schmerzt“, sagt Lota, „nicht wegen der Kirchensteuer, sondern wegen den gescheiterten Beziehungen. Wie können wir attraktiv bleiben für Menschen, die nach Sinn suchen?“