Essen. . Kehrtwende in der Bäderfrage bei der SPD: Parteivorstand und Fraktion haben sich vom Bau eines Kombibades im Nordwesten von Essen verabschiedet. Stattdessen soll das Borbecker Hallenbad saniert und das Dellwiger Freibad „Hesse“ erhalten werden.
In der Bäderfrage gefällt sich die SPD plötzlich in der Rolle des Frühschwimmers. Nicht nur das: Sie zieht ziemlich einsam ihre Bahnen. Auf diesen Nenner lässt sich ein Vorstoß bringen, mit dem die Sozialdemokraten auch jene Fraktionen überraschten, mit denen sie bislang in Sachen Bädern in dieselbe Richtung schwammen. Im Klartext: Parteivorstand und Fraktion haben sich vom Bau eines Kombibades im Nordwesten der Stadt verabschiedet. „Die Kosten würden dazu führen, dass das Hauptbad, das Hallenbad in Borbeck und das Freibad Dellwig zur Schließung anstünden. Das ist mit uns nicht zu machen“, sagt Rainer Marschan, Ratsherr aus Borbeck und stellvertretender Fraktionsvorsitzender.
Belastbare Zahlen?
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Die SPD spricht sich stattdessen dafür aus, das Borbecker Hallenbad zu sanieren und das Dellwiger Freibad „Hesse“ zu erhalten, wenn auch mit einer neu zu gestaltenden Wasserfläche für Schwimmer und Nichtschwimmer. Das Schwimmzentrum in Rüttenscheid soll nach dem Willen der Sozialdemokraten um eine 25-Meter-Halle erweitert werden. Geschlossen würde allein das marode Hauptbad an der Alten Synagoge. Das Bad zu sanieren, sei „finanziell nicht darstellbar“. Wie es aussieht, ist dies die einzige Frage, in der sich die Politik einig ist.
Inhalt und Zeitpunkt des SPD-Vorstoßes kommen überraschend. Aktuell arbeiten die Sport- und Bäderbetriebe an einem Bäderkonzept, das nicht nur verschiedene Varianten umfassen soll, erwartet werden auch belastbare Zahlen darüber, was Aus-, Neubau oder Schließung die Stadt den kosten würden. Das Gutachten soll der Politik im April vorgelegt werden. Die Sozialdemokraten nannten gestern keine Zahlen. Nur soviel: „Wir vermuten, dass ein Kombi-Bad teurer wird“, sagt Rainer Marschan. Worauf sich diese Vermutung stützt, verriet Marschan nicht. In Ratskreisen wird geunkt, die SPD wisse wohl mehr als sie preisgeben. Das Interesse eines vermeintlichen Investors am geschlossenen Freizeitbad „Oase“ in Frohnhausen spiele bei den Überlegungen jedenfalls keine Rolle. Sollte es sich als seriös erweisen, fühle man sich bestätigt. Die „Oase“ liegt etwa einen Kilometer Luftlinie entfernt von der Wüstenhöfer Straße, die als Standort für ein Kombi-Bad in Rede steht.
„Wir waren schon weiter. Ich bin sprachlos“
FDP und Linke ließ die SPD ratlos zurück. Zur Erinnerung: Unmittelbar nach der Kommunalwahl hatten die drei Fraktionen den Ratsbeschluss, „Hesse“ zu schließen, gekippt und durch einen neuen Beschluss ersetzt. Dieser sieht den Bau eines Kombi-Bades im Nordwesten als möglichen Ersatz für „Hesse“ ausdrücklich vor. „Wir waren schon weiter. Ich bin sprachlos“, kommentierte Linken-Fraktionssprecher Hans-Peter Leymann-Kurtz den Kursschwenk der SPD. Mit den Linken sei dieser nicht zu machen.
Auch die FDP winkt ab. „Das ist eine vollkommene Abkehr von dem, was wir beschlossen haben“, sagt Fraktionsvorsitzender Hans-Peter Schöneweiß, der zudem Einsparvorschläge vermisst.Und Hesse? „Eine kleinere Wasserfläche hätten wir vorher schon haben können.“ Brüskiert steht nicht zuletzt Oberbürgermeister Reinhard Paß da. Als Chef der Verwaltung hatte er eine Machbarkeitsstudie für den Standort Wüstenhöfer Straße in Auftrag gegeben. Auch daran arbeitet die Bäderverwaltung noch. Die Politik sei in Sachen Machbarkeitsstudie nicht eingebunden gewesen, sagt Marschan. Was treibt die Sozialdemokraten also an? Man wolle in der Bäderfrage „klare Kante“ zeigen. Für welchen Preis?