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Das Grundwasserproblem an der Emscher erweist sich als dramatischer als bislang bekannt - und es beschränkt sich nicht nur auf Karnap. Experten rechnen mit Kosten in Höhe von 800 Millionen Euro.

Rund um die Emscher steigt das Grundwasser. In Karnap kämpfen immer mehr Anwohner mit regelmäßigem Wassereinbruch in ihren Kellern. Doch nicht nur in Essens nördlichstem Stadtteil klettert der Pegel. „Das Problem betrifft vor allem den Emscherbruch. Im Prinzip ist das eine Folge des Bergbaus“, sagt Stephan Malessa, Pressesprecher im NRW-Umweltministerium. Durch den Bergbau ist das Gebiet abgesackt, die Hauskeller sind nahe ans Grundwasser gerückt. Und das dramatischer als bislang angenommen.

Eine Arbeitsgruppe aus Emschergenossenschaft, den betroffenen Ruhrgebietsstädten, der RAG und den Bezirksregierungen beziffert die Investitionskosten für den betroffenen Emscherraum auf nicht weniger als rund 800 Millionen Euro. Die Expertengruppe geht davon aus, dass mindestens 46 000 Gebäude unmittelbar betroffen sind und schätzen, dass 80 Prozent der Hausanschlüsse saniert werden müssen. Bis zum Sommer sollen Vorschläge her, wie dem steigenden Grundwasser zu begegnen ist.

Steigendes Grundwasser

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Von DerWesten

Im Ministerium und bei der Emschergenossenschaft sind sie längst sicher, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen dem steigenden Grundwasser und Kanalsanierungen gibt. Die Stadtwerke hatten dies bis gestern öffentlich bestritten: Die Sanierung des 17 Kilometer langen Kanalnetzes im betroffenen Gebiet westlich der Karnaper Straße liege doch schon mehr als zehn Jahre zurück. In einer Dokumentation von 2004 weisen die Stadtwerke allerdings selbst bereits darauf hin, dass es nach der Sanierung des Kanals in der Straße „In der Vogelwiesche“ zu einem weiteren Anstieg des Grundwassers gekommen ist.

Bis zur Sanierung wurde das Problem indirekt durch das alte und löchrige Kanalnetz gelöst - die porösen Leitungen nahmen das Wasser auf und leiteten es weiter. So wie vielerorts in Poldergebieten im Revier. Sauberes Grundwasser landet in den Klärwerken, wo es für teures Geld gereinigt wird. Weitere ungeliebte Folge: Abwasser dringt ins Erdreich ein. Mit der Sanierung sind die Rohre dicht, aber das Grundwasser steigt.

Am Ende der Kette steht der Gebührenzahler

Saniert wurde besagter Kanal An der Vogelwiesche 1995/96. Passiert ist in Sachen Grundwasserschutz in der Emscherzone bis heute aber nichts. Und dies, obwohl die Emschergenossenschaft die Probleme beim Grundwassermanagement schon 2004 in einem Workshop in Bochum thematisierte; Vertreter der Kommunen und der Wasserwirtschaft saßen damals mit am Tisch. Laut Emschergesetz ist zwar die Emschergenossenschaft für die „Regelung des Grundwasserstandes“ zuständig. Die Grundwasserbewirtschaftung sei jedoch keine Gemeinschaftsaufgabe, die Städte oder der Bergbau müssten im konkreten Fall einen Auftrag erteilen, heißt es im Verbandssitz an der Kronprinzenstraße, wo man den Ball Richtung Rathaus spielt. Dort heißt es zurückhaltend, wer rechtlich wofür zuständig sei, werde derzeit noch geprüft.

Ein Rahmenvertrag mit den Kommunen, 2004 von der Emschergenossenschaft ins Spiel gebracht, ist bis heute jedenfalls nicht zustande gekommen, obwohl der Wasserversorger nach eigenen Angaben bereits seit einigen Jahren „leicht steigende“ Grundwasserstände verzeichnen. Durch gesetzlich vorgeschriebenen Kanalsanierungen wird das Problem offenbar immer akuter. Aktuelle Grundwassermessungen der vergangenen 14 Tage, deren Ergebnisse die Stadt heute dem Umweltausschuss vorstellen wird, belegen, dass es sich bei dem Pegelstand keineswegs um ein temporäres Ereignis, bedingt etwa durch Regen und Schneefall, handelt, wie man vermuten könnte. Aber warum ist noch nichts geschehen? Dahinter steht die Frage: Wer zahlt die Zeche?
Denn es geht um Investitionen in Pumpwerke, in Kanäle und Drainagen von 400 Kilometern Länge, also um Kosten in besagter dreistelliger Millionenhöhe. Und am Ende der Kette steht bekanntlich der Gebührenzahler.