Essen. .
Für Stadt und Land werden die feuchten Keller in Karnap zum Thema. Rund 100 Häuser sind inzwischen betroffen. Die Meteorologen des Deutschen Wetterdienstes in Schuir warnen vor Klima-Folgen bei ohnehin schon hohem Grundwasserspiegel.
Das Projekt „Wege zum Wasser“ hatten sich viele Karnaper so nicht vorgestellt. Andererseits, nah am Wasser ist Essens nördlichster Stadtteil nun mal gebaut. Die ersten Häuser stehen direkt hinter dem hier gut sieben Meter hohen Emscherdeich. Irgendwo gurgelt’s (und müffelt’s) immer. Doch in diesem Winter bekommt das beschauliche Dorf seine tiefe Lage, gerade einmal 26 Meter überm Meeresspiegel, deutlicher zu spüren: Immer mehr Karnaper klagen über nasse Keller, mancherorts drückt sich die stellenweise braune Brühe nicht nur durch die Bodenplatte, selbst an den Wänden dringt das Nass ein.
Hunderte Liter Wasser haben manche Haubesitzer hinausgeschaufelt, einige haben sich Pumpen zugelegt. Rund 100 Häuser dürften nach Schätzung der örtlichen SPD inzwischen betroffen sein. „Da muss was geschehen“, sagt der Karnaper SPD-Ratsherr Guido Reil. Und auch EBB-Chef Udo Bayer, ebenfalls überzeugter Karnaper, sieht zwar „keinen Anlass, etwas zu dramatisieren, feuchte Keller gab es hier immer wieder. Aber dass etwas getan werden muss, dürfte wohl klar sein“.
In der Tat will man im Essener Rathaus die Karnaper nicht absaufen lassen. In diesen Tagen wird sich das Umweltdezernat federführend der Wasserproblematik annehmen. „Wir werden uns intern abstimmen“, sagt Umweltdezernentin Simone Raskob, „und dann das Gespräch mit der Emschergenossenschaft und den Stadtwerken suchen.“
Sogar auf Landesebene im zuständigen NRW-Umweltministerium sieht man „dringenden Handlungsbedarf“. Denn: Düsseldorf erreichen immer mehr Klagen über steigende Grundwasserstände und zunehmend feuchtere Keller aus den Kommunen im Emscherbruch. Eine ganze Region, so die Sorge, könnte Schlagseite bekommen. Ein Sprecher des Ministeriums bestätigt der NRZ: „Wir werden uns mit den Bezirksregierungen, der Emschergenossenschaft, den Kommunen und dem Bergbau an einen Tisch setzen. Vor dem Sommer wollen wir eine abgestimmte Lösung haben.“
Aktuell höhere Spiegel
Emschergenossenschaft, Stadtwerke, Bergbau – damit sind schon alle genannt, die in der Essener Emscherzone ihr Geschäft mit dem Wasser machen. Und die im ersten Reflex erst einmal nichts mit nassen Kellern zu tun haben wollen: „Jedenfalls sind wir nicht ursächlich dafür verantwortlich“, lautet unisono die Antwort. Auch bei der Ursachenforschung sind sich alle einig: „Wir vermuten, dass die Grundwasserspiegel steigen.“
Ob das tatsächlich schon die Antwort ist? Barbara Löer, Hydro-Geologin im Essener Umweltamt möchte sich nicht festlegen: „Richtig ist, dass die starken Schnee- und Regenfälle im Winter nicht ohne Folgen geblieben sind, und das wir aktuell sicher höhere Spiegel haben“, sagt sie. „Aber ob das grundsätzlich gilt, wie sich die Werte beispielsweise im Sommer entwickeln, das müssen wir genauer untersuchen.“ Genau 2175 städtische Messpunkte erlauben in Essen einen Blick aufs Untergrundwasser. Karten der Emschergenossenschaft zeigen genau, wo das Grundwasser bislang stand.
Meteorologen warnen vor Klima-Folgen
Beim Deutschen Wetterdienst in Schuir hält man steigende Grundwasserspiegel für durchaus plausibel: „Die Niederschlagsmengen haben sich zwar nur wenig verändert, 2008 und 2009 lagen wir über, 2010 dann trotz des Winters unter dem langjährigen Durchschnitt von 931,4 Millimeter. Aber der Trend zeigt, dass wir im Sommer weniger, dafür im Winter deutlich höhere Niederschlagsmengen haben“, so ein Sprecher des Wetterdienstes. Dies sei ganz deutlich eine der Folgen des Klimawandels, „und wir befürchten, dass sich dieser Trend in Zukunft noch verstärken wird“.
Für den Emscherbruch könnte dies gravierendere Folgen haben, als andernorts: Feucht war es hier immer schon, der Fluss mäanderte einst munter durch die Wiesen. Als der Bergbau dann im 19. und 20. Jahrhundert daran ging, Kohle abzubauen, wurde das Land mancherorts bis zu zehn Meter tiefer gelegt. Das blieb nicht ohne Folgen für das Grundwasser: „In Karnap stoßen sie bereits knapp unter der Oberfläche auf Grundwasser“, sagt Geologin Barbara Löer. Hinein in den nassen Grund wurde und wird gebaut. Während heutige Betonwannen und höher stehende Streifenfundamente mit Grundwasser keine Probleme haben, sieht das bei den alten Bergarbeiter-Häusern natürlich anders aus. Die gemauerten Keller, zum Teil 80, 100 Jahre alt, saugen sich voll, werden immer durchlässiger, irgendwann wird das Gemäuer instabil.
Verschärft wird der Druck auf die Wände noch durch die Sanierung der alten Abwasser-Kanäle: Während die porösen, teils löchrigen Rohre wie eine Drainage für das Grundwasser wirkten, sind die neuen Abwasser-Leitungen natürlich bombendicht. Das Wasser sucht sich neue Wege – und wählt den Keller. „Das Problem haben wir immer wieder, sobald wir Rohre auswechseln“, sagt Stadtwerke-Sprecher Dirk Pomplun. In Karnap ist vor allem in den 90er Jahren viel saniert worden, bis 2001 auch in der Siedlung direkt hinterm Deich. „Aber dann wären die Probleme schon damals aufgetreten. Und nicht erst zehn Jahre später.“
„Wir sind für das Grundwasser auch nicht zuständig“
Bei der Emschergenossenschaft schüttelt man ebenfalls den Kopf: „Wir haben bereits im Januar den Deichfuß kontrolliert, es ist alles dicht. Selbst wenn der Pegel der Emscher höher liegen sollte, bleibt das ohne Folgen. Und auch das Pumpwerk Karnap läuft völlig normal“, sagt Sprecher Ilias Abawi. Ohnehin schaffen die Pumpen nur das Abwasser in die Emscher. „Wir unterhalten am Fluss keine Grundwasserpumpen. Und wir sind für das Grundwasser auch nicht zuständig.“
Die einzigen, die noch Wasser aus dem Untergrund wegschaffen, ist der Bergbau. „Grubenwasser – kein Grundwasser, das ist ein himmelweiter Unterschied“, klärt jedoch die RAG in Herne auf. Die Wasserhaltung auf Zollverein beispielsweise pumpe im Emscherbruch das Grubenwasser auf 1000 Meter Tiefe ab, damit das Bergwerk Prosper Haniel in Bottrop trocken bleibt. Auch dort gebe es Pumpen, „aber beides hat in keinster Weise Auswirkungen auf das Grundwasser in Karnap“, so ein RAG-Sprecher. „Zwischen Grund- und Grubenwasser liegen gut 800 Meter. Was wir unten abpumpen bleibt oben ohne Wirkung.“
Zumindest für Karnap schließt die RAG übrigens eine weitere mögliche Theorie aus: „Bergsenkungen haben wir dort nicht mehr, das ist schon lange Ruhegebiet.“ Doch egal, woran es letztendlich liegen mag, dass daraus zunehmend ein Feuchtgebiet wird, die Betroffenen fordern Hilfe: „Als ich hier in Karnap gekauft habe, war alles in Ordnung. Aber seit drei Jahren läuft mir der Keller voll. Soll ich jetzt einfach zuschauen, wie ich hier absaufe“, sagt ein verärgerter Hausbesitzer. „Hier muss was getan werden, und zwar schnell.“ Hinterm Deich warten die Menschen auf Antworten.