Essen. . Die Beseitigung von Graffiti ist teuer. Seitens der Politik wird überlegt, neue legale Flächen für Graffiti-Sprayer freizugeben. Doch das bedeutet auch: viel Müll durch leere Farbdosen, die als Sondermüll gelten.
Der Kompressor im Lieferwagen wummert. Karlheinz Schmölling hat sich mit einer Atemmaske, einer Plastikbrille und Ohrenschützern gerüstet. Seine Waffe ist ein Hochdruck-Reiniger mit Sandstrahl, sein Gegner gerade ein großes, schwarz-blaues Graffiti. „Die Sprayer malen immer an Plätzen, an denen es viele Leute sehen – hier zum Beispiel die Autofahrer“, sagt der Mitarbeiter der Essener Firma „City Cleaner“.
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Zahl der Anzeigen deutlich gesunken
Die Kosten für die Beseitigung der Schmierereien sind teuer. Selbst für die Reinigung kleiner Mini-Schriftzüge fallen bereits 200 Euro an, dazu kommen Kosten für eine präventive Anti-Graffiti-Beschichtung. Zwar ist nach Polizei-Angaben die Zahl der Anzeigen wegen Graffiti-Schäden mit unter 1000 Anzeigen im vergangenen Jahr „deutlich gesunken“, doch die Dunkelziffer dürfte groß sein. Die Essener Verkehrs-AG (Evag) zahlt für die Beseitigung von Sprayer-Schäden jährlich rund 130 000 Euro. Die Stadt schweigt zu konkreten Zahlen.
Jugendverbände, das Ordnungsamt und die Jugendhilfe überlegen, wie man die Graffiti-Szene in legale Bahnen lenken kann – zum Beispiel durch „Halls of Fame“, über die in dieser Woche im Jugendhilfe-Ausschuss beraten werden sollte. Dahinter verbirgt sich eine geplante Freigabe von 2000 Quadratmetern legaler Graffiti-Flächen, auf denen sich Sprayer möglichst austoben dürfen. Einrichtungen wie das AWO-Jugendwerk könnten einige Flächen als Paten betreuen. Vorbild ist der Bereich Zollstraße/Helenenstraße in Altendorf. „Hier haben die Jugendlichen nur auf erlaubten Flächen gesprüht“, sagt der Jugendkulturbeauftragte Gerd Dubiel zum Pilotprojekt. Hagen und Bochum hätten mit „Halls of Fame“ ebenfalls positive Erfahrungen gemacht.
Von der Tagesordnung gestrichen
Im Jugendhilfe-Ausschuss wurde das Projekt spontan von der Tagesordnung gestrichen. „Die Entsorgungsfrage der Spraydosen wurde zum Problem“, sagt Dubiel. Der Geschäftsführer vom Arbeitskreis Jugend (AKJ), Philipp Hennen, verrät mehr: In der Abfallkosten-Kalkulation der Entsorgungsbetriebe Essen (EBE) in Höhe von 2500 Euro sei nicht berücksichtigt worden, dass die bei den Flächen als Müll anfallenden Spraydosen zur Kategorie Sondermüll gehören und als Schadstoff entsorgt werden müssen. Warum das erst kurz vor der Sitzung bemerkt wurde, ist unklar. Die EBE war gestern für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Möglicherweise ist die Sondermüll-Begründung nur vorgeschoben. Hinter vorgehaltener Hand machen sich Politiker Sorgen, dass Sammelcontainer für Spraydosen zu weiteren Problemen führen: Jugendliche könnten dort leichtsinnig mit Feuer spielen.
Zurück zu Karlheinz Schmölling: Drei Stunden später ist das blau-schwarze Graffiti beseitigt. Der Sand mit Farbpartikeln muss nun fachgerecht entsorgt werden.