Bochum..

Street Art in verschiedensten Ausformungen hatte Konjunktur im Kulturhauptstadtjahr. Auch in „traditionellen“ Spielstätten wie dem Schauspielhaus oder der Jahrhunderhalle feierten Projekte „von der Straße“ Erfolge.

Ein berühmter Satz mit X fällt Vielen ein, wenn sie an das Kulturhauptstadtjahr in Bochum denken. Nix war es mit Konzerthaus und anderen Manifestationen der Kunst und Kultur. Wenn es um Erfolge der Kulturhauptstadt in Bochum geht, fallen aber immer wieder auch andere Sätze mit X - sie enthalten oft das Wort Urbanatix.

Urbanatix ist eine Artistikshow verbunden mit Street Art. Sicherlich nicht unbedingt das, was Jedermann unter Kunst und Kultur verortet. Sie ist Teil der Street Art Kultur, die sich im Jahr 2010 in vielen Spielarten in der Stadt exponiert zeigte, im Schauspielhaus, in der Jahrhunderthalle und der Rotunde. Man könnte gar behaupten, dass Bochum eine Hochburg geworden ist für diese Künste, die der urbanen Straßenkultur entwachsen sind. Und das meint eben nicht nur, Hosen in den Kniekehlen zu tragen, heftig in ein Mikrofon zu bellen oder mit dem Skateboard die Treppe hinunterzufallen.

Ausdrucksmöglichkeiten

Malou Airaudo wusste von der Differenz. Die Pina-Bausch-Tänzerin, die „Irgendwo“ einrichtete, einen Tanztheaterabend des Schauspielhauses, sagte „Sie werden niemals so tanzen können wie wir“. „Wir“, das waren sie und die ausgebildeten Tänzerinnen von der Folkwang-Hochschule. Und doch hält sie wenig später trotz aller fachlich angebrachten Arroganz nicht hinter dem Berg mit der Bewunderung für die Athletik, den Ehrgeiz und die Intensität der Tänzer der Herner Gruppe Renegade. Und zusammen auf der Bühne erschuf die Truppe einen der erfolgreichsten Abende der jungen Intendanz.

Street Art ist ein hier schwammiger Oberbegriff für ein Ensemble von Ausdrucksmöglichkeiten, die vor allem ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht auf Akademien, in Ateliers und Kaffeehäusern entstanden sind, sonder im urbanen Raum. Musik, die eben nicht auf der Beherrschung von Noten und Instrumenten basierte, Bewegungskunst ohne Tanzschritte, Malerei ohne Staffelei und Pinsel, dafür mit Spraydose und Abenteuersinn und dem Willen, sich grauen Lebensraum bunt anzueignen.

Sie holen Menschen ab - meistens jüngere

Diese populären Ausformungen wurden über die Jahre und Jahrzehnte ausgefeilt, nahmen Einflüsse auf, wurden zu populärer Kultur.

Mit der Gruppe Renegade im Schauspielhaus und bei Melez in der Jahrhunderthalle, mit Urbanatix, mit den authentischen Projekten von Next Generation im Schauspielhaus waren in diesem Jahr gleich mehrere visuell aufwendige Spektakel zu sehen, die zudem noch einen nachhaltigen „Nebeneffekt“ haben.

Sie holen Menschen ab, meistens jüngere, und bringen sie dazu, ihre ureigenen Möglichkeiten des Ausdrucks zu kultivieren. Das ist wichtig für eine Gesellschaft und für eine Kultur, die gesellschaftlichen Themen verpflichtet ist.

Intellektuell angreifbar

Diese Formen der Kultur sind angreifbar. Aus einer intellektuellen Position heraus kann den Theaterformen Banalität vorgeworfen werden, den Formen der bildenden Kunst die Abwesenheit jeden akademischen Wissens, der Musik, oft HipHop das Fehlen von Musikalität (wie es die Zeitgenossen schon bei Rock 'n' Roll, Beatles, Stones, Punk, Techno und so fort taten). Und die Bewegungskünste könnten für reinen Zirkus gehalten werden.

Darüber sollte unbedingt gestritten werden. Zu hoffen ist dabei, dass Urbanatix, Melez, Renegade, Next Generation und Co. nach diesem Jahr der Spektakel weiterhin die Chance bekommen, Diskussionswürdiges zu zeigen.