Essen. Als erstes Essener Gymnasium will die Alfred-Krupp-Schule künftig auch Behinderte aufnehmen. Sie sollen in eine reguläre Klasse integriert werden. Das könnte eine schulpolitsche Zeitenwende einläuten.

Das Alfred-Krupp-Gymnasium in Frohnhausen will vom kommenden Schuljahr an auch behinderte Kinder aufnehmen - nicht nur in Ausnahmefällen, sondern als Teil des Schulkonzepts. Pro Jahrgang sollen fünf Kinder, die lernbehindert oder geistig in irgendeiner Form eingeschränkt sind, fest in eine reguläre Klasse integriert werden.

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Das beschloss die Schulkonferenz des Hauses in dieser Woche mit deutlicher Mehrheit. Die Konferenz ist aus Vertretern von Lehrern, Eltern und Schülern zusammengesetzt. Jetzt müssen noch die Behörden zustimmen, was aber als reine Formsache betrachtet wird. Damit könnte eine schulpolitische Zeitenwende eingeläutet werden – hin zu „einer Schule für alle“, wie sie von den Vereinten Nationen seit langem eingefordert wird (siehe Info-Kasten).

Reguläre Plätze für Behinderte bieten bislang 14 Grundschulen, aber nur wenige weiterführende Schulen an: Die Hauptschulen Wächtler- und Bischoffstraße sowie die Gesamtschule Holsterhausen; die Gesamtschule Bockmühle richtet ebenfalls ab Sommer „integrative Lerngruppen“ ein, so die offizielle Bezeichnung. Gymnasien nehmen bislang nur Körperbehinderte an, und auch nur in Ausnahmefällen. Die neuen „integrativen Lerngruppen“ gelten vor allem für „Lernbehinderte“ als Alternative zur Sonder- bzw. Förderschule: „Lernbehinderte“ sind körperlich nicht eingeschränkt, lernen aber erheblich langsamer als gesunde Kinder.

„Dieser Entschluss wird unsere Schule nachhaltig verändern“, glaubt Berthold Urch, der Leiter der Alfred-Krupp-Schule. „Wir haben alle Bedenken von Kollegen, Eltern und Schülern intensiv diskutiert.“ Die Klasse, die fünf Behinderte aufnimmt, soll besonders klein bleiben – nur 15 regulär zu unterrichtende Kinder werden gemeinsam mit fünf „zieldifferent“ zu unterrichtenden Behinderten den Raum teilen. Diese haben ihr eigenes Lehrmaterial. In etwa der Hälfte der Zeit kümmert sich ein Sonderpädagoge um sie, besonders in den „Kernfächern“ Deutsch, Mathe, Englisch. Die übrige Zeit ist kein Extra-Lehrer da.

Pädagogen der Alfred-Krupp-Schule, die besonders interessiert sind, werden bis zum Sommer fortgebildet im Umgang mit Lernbehinderten, kündigt Schulleiter Urch an. Er ist fest davon überzeugt, dass auch die gesunden Kinder der Klasse von der Anwesenheit der Behinderten profitierten – allein wegen des kleinen Klassenverbundes von maximal 20 bis 22 Schülern. Angst vor einem Imageschaden hat Urch nicht: „Wir können zwar nicht einschätzen, was Eltern künftig von uns denken, doch wir werden keinesfalls gymnasiale Standards verlassen.“ Schon lange setzt die Krupp-Schule, die für gymnasiale Verhältnisse einen hohen Ausländeranteil hat, besondere Schwerpunkte in Förderung und Berufsorientierung. Auch die überschaubare Größe der Schule (530 Schüler) habe eine Rolle bei der Entscheidungsfindung gespielt. „Wir sind für diese Aufgabe prädestiniert“, ist Urch überzeugt. Michaela Krupa, Vorsitzende der „Arbeitsgemeinschaft Eltern an Essener Gymnasien“, mahnt an, dass die Integration Behinderter an Gymnasien nur mit entsprechend personeller und materieller Ausstattung möglich sei.