Essen. Eine Bescherung der etwas anderen Art veranstaltete die Essener Tafel für bedürftige Familien. Teilweise gab es eine 20 Meter lange Schlange vor dem Steeler Wasserturm. Viele hätten ohne die Tafel wohl keine Weihnachtsgeschenke bekommen.
Eine Bescherung der etwas anderen Art veranstaltete die Essener Tafel für bedürftige Familien. Teilweise gab es eine 20 Meter lange Schlange vor dem Steeler Wasserturm. Viele hätten ohne die Tafel wohl keine Weihnachtsgeschenke bekommen.
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Als Leonie-Sophie ein Biene-Maja-Plüschtier knuddelt, ist die Welt in Ordnung. Weihnachten kann kommen. Auch Mutter Sabrina (27) und Opa Klaus (56) strahlen, freuen sich mit der Dreijährigen. Rund 1000 bedürftige Familien sind am Dienstag zum Steeler Wasserturm ins Südostviertel geströmt, um dort von den Helfern der Essener Tafel gespendete Weihnachtspäckchen zu erhalten. Ohne diese Aktion wäre die Bescherung an Heiligabend für Leonie-Sophie und ihre 18 Monate alte Schwester Louisa-Marie wohl ausgefallen. „Für das Fahrrad, dass sich die Kleine wünscht, fehlt einfach das Geld“, gesteht die Mutter. Die Altendorferin ist derzeit genauso wie ihr Mann arbeitssuchend, bekommt Hartz IV. 200 Euro bleiben dem Vier-Personen-Haushalt für Nahrungsmittel und Kleidung im Monat. Sparen für Geschenke? Unmöglich.
„Es tut mir weh, wenn ich Nein sagen muss und meinen Kindern nicht genug bieten kann“, sagt sie. Ihre grünen Augen wirken müde. Kein Job trotz abgeschlossener Ausbildung, kein Erfolg bei der Suche nach einem Kindergartenplatz: Die heute erhaltenen liebevoll eingepackten Geschenke sind immerhin ein kleiner Trost. Opa Klaus findet die Tafel „wunderbar“. Auch er ist arbeitslos, nachdem er jahrelang als „Eisenwichser“ Strommasten lackierte. „Ich schäme mich nicht hier zu stehen. Ich bin dankbar.“ Andere würden sich umschauen, sich sorgen, dass ihre Nachbarn sie wohlmöglich hier entdecken könnten, erzählt er. Das sei doch Quatsch.
Bürokratische Abwicklung des Massenandrangs
Es ist eine Bescherung der etwas anderen Art: Vor der Tafel im Wasserturm stehen Dutzende Familien in einer bis zu 20 Meter langen Schlange, werden in Schüben hineingelassen. „Frauen und Kinder zuerst“, ruft ein mit Einkaufs-Trolley ausgestatteter Wartender, der noch nicht friert. Drinnen angekommen stapeln sich neben Wühltischen riesige Geschenk-Pakete bis unter die Decke. Die Übergabe an die „Kunden“ wird streng bürokratisch abgewickelt. „Bewilligungsschein vorhanden?“, fragt eine ehrenamtliche Tafel-Mitarbeiterin. „Wie viele Personen leben im Haushalt?“
Wenige Meter weiter sitzt Claire warm eingepackt im Kinderwagen und blickt mit glänzenden Augen auf das Edel-Marzipan in ihren Händen. Ihre alleinerziehende Mutter, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, sagt: „Ich erschleiche mir hier keine Geschenke. Ich kann mir keine eigenen leisten.“ Rund 700 Euro Sozialleistungen bekommt sie im Monat, 77 Euro davon vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) für die Behandlungskosten von Claire, die gehörlos ist und regelmäßig einen Logopäden besucht.
Gerade verlässt der geschiedene Wolfgang Kurz aus Kray den Wasserturm. Er trägt ein Paket für Männer, die Weihnachten einsam sind, wie ein Aufkleber auf dem Geschenkpapier verrät. Er sei, sagt er mit ernster Miene, auf der „untersten Stufe“ angekommen. Seit zwei Jahren erhält er Arbeitslosengeld II. Umschulungen brachten es nicht. Die Tafel versüßt zumindest sein Weihnachtsfest.