Essen.

Auf der Straße leben in Essen nach Beobachtung von Wohlfahrtsverbänden zunehmend mehr junge Menschen, die ohne feste Bleibe durch die Gegend ziehen.

„Der hohe Anteil von jungen wohnungslosen Männern und Frauen ist ein Alarmzeichen“, schreibt Antonius Holz von der Arbeitsgemeinschaft für „Wohnungslose“ in seinem jüngsten Bericht. Es bestehe dringend Handlungsbedarf, um in Essen zu verhindern, dass „eine wachsende Zahl von jungen Menschen dauerhaft in Wohnungslosigkeit, Sucht und Straffälligkeit abgleitet“. Das Problem sei, dass das Sozialnetz große Versorgungslücken für „obdachlose Jugendliche“ aufweise. Die Zahl der Betroffenen beziffert Holz auf rund 200.

„Wir begegnen in unserer Arbeit nahezu täglich junge Menschen, die sich in existenzbedrohenden Situationen befinden, die um Hilfe bitten, denen aber keine passenden Angebote offen stehen.“ Als Konsequenz reagierten ältere Jugendliche und junge Erwachsene zunehmend mit Lethargie, mit dem Rückzug ins Private, würden passiv oder gar aggressiv.

Aggressives Verhalten

Ein Obdachloser schläft am Limbecker Platz. Foto: Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool
Ein Obdachloser schläft am Limbecker Platz. Foto: Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool © waz | waz

„Sie lehnen erzieherische Maßnahmen strikt ab, überschätzen aber ihre eigenen Fähigkeiten maßlos - und müssen plötzlich wegen fehlender Mitwirkung Geldstrafen der Jobcenter hinnehmen“, meint Holz. Dies sorge dafür, dass sich die Betroffenen „illegal Geld beschaffen“ und zunehmend in die Wohnungslosen- und Drogenszene abgleiten.

Als Lösung schlägt die Arbeitsgemeinschaft vor, die Jugendlichen mit einem Akut-Hilfspaket an die Hand zu nehmen: Wohnung besorgen, Arbeitsangebote machen und direkte Begleitung der Betroffenen mit guten Pädagogen organisieren. Unter Federführung der in der Praxis mit der schwierigen Klientel erfahrenen Wohnungslosenhilfe soll dieses Netz aus bestehenden Hilfsangeboten neu gestrickt werden, so dass die Betroffenen diese auch annehmen.

Fachleute und Politiker alarmiert

Nicht nur das Schicksal junger Leute alarmiert Fachleute und Politiker in Essen, sondern auch die insgesamt stark wachsende Zahl der Hilfe-Ersuche armer Menschen.

So suchten in den Essener Beratungsstellen für Wohnungslose im vergangenen Jahr 1240 Menschen Rat - ein Plus von neun Prozent. Mehr als ein Drittel war jünger als 27 Jahre. So halten sich täglich in den Treffs für Wohnungslose 200 bis 250 Menschen auf - im „Café Schließfach“, in der „Insel“, im „Krisencafé“ oder im Sozialzentrum an der Maxstraße. Das Arzt-Mobil versorgt dort über 900 Wohnungslose im Jahr.

In der Notschlafstelle Lichtstraße für verzweifelte Menschen, die gar keine Übernachtungsmöglichkeit finden konnten, zählten Sozialarbeiter über 10 000 Übernachtungen im Jahr 2009, acht Prozent mehr als im Vorjahr.

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Dass aber nicht nur Wohnungslose, sondern zunehmend auch Familien unter echter Armut leiden, bemerken die Helfer der Essener Tafel und die der Kleiderkammer der Caritas, des DRK und der Diakonie.

So versorgt die Tafel mit ihren über 100 Helfern täglich über 11 000 Bedürftige in über 80 Einrichtungen (Schulen, Kitas, Sozialstellen) mit einer gesunden Mahlzeit. 1800 Familien holen zumindest einmal wöchentlich Lebensmittel ab - ein Plus von elf Prozent.

Immer mehr Familien in den Kleiderkammern

45 000 gebrauchte Hosen, Röcke und Hemden gibt jährlich die Essener Kleiderkammer ab - dabei decken sich dort nicht nur Obdachlose ein, sondern stetig mehr Familien.

Holz macht für die Entwicklung auch die Folgen der Finanzkrise verantwortlich. Damit seien „Friktionen im Bereich der sozialen Versorgung verbunden“.