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Die Helfer der Essener Tafel sammeln täglich rund fünf Tonnen Lebensmittel – und wühlen sich dafür oft durch einen Berg aus fauligem Obst und Gemüse. Dabei kämpft die Tafel nach einem langen Winter mit saisonalen Schwankungen.

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Was kostet ein Granatapfel, was eine Papaya? Sie kennen den Preis? Multiplizieren Sie ihn mit 10, mit 20. Addieren Sie den Preis für 100 Ananas hinzu und kistenweise Bananen, Melonen, Äpfel. Eine Frucht nach der anderen fliegt in den Container, ist vergammelt, faulig, mit Schimmel besetzt. Ein kleines Vermögen wird so entsorgt, Tag für Tag.

Willkommen in der Realität der Essener Tafel, die nicht viel gemein hat mit dem Mythos schlichter Umverteilung, der Vorstellung, dass fertig geschnürte Kisten polierter Äpfel auf den Abtransport warten. Es ist warm, das Obst gärt in der Sonne, süßlicher Gestank liegt über den Kisten, aus einigen tropft das Fruchtwasser auf den Boden. Nah heran gehen muss man aber eigentlich gar nicht, ein Blick auf die kreisenden Fruchtfliegen genügt um zu wissen, dass nicht mehr viel zu holen ist. Wir überwinden uns, entsorgen die Inhalte der oberen Kisten. Darunter kommt welker Salat zum Vorschein, finden sich Kisten mit Ananas die weich sind und verdorben, „man könnte“, regt die Verkäuferin eines Discounters an, „daraus noch Saft machen“.

Die Masse macht’s

Doch es bleibt keine Zeit, Früchte abzuholen und sie mit „Gebrauchsschildchen“ zu versehen. Es gilt Tonnen Lebensmittel zu sichten, zu transportieren, sie umzuschichten und zu sortieren. Berge, die zu bewegen sind auf der Suche nach Brauchbarem.

„Im Prinzip geht es uns nicht darum, das soziale Ungleichgewicht aufzuhalten und ärmeren Menschen Lebensmittel zu bringen, sondern darum, Lebensmittel, die man noch verwenden kann, nicht im Müll landen zu lassen“ sagt Jörg Sartor, Vorstand des gemeinnützigen Vereins.

Doch längst nicht alles ist schlecht. Es gibt Bäcker, die stellen Gutes von gestern an ihre Rampen, Discounter, die stiegenweise brauchbare Tomaten zum Ausgang rollen. Langsam wird es wieder etwas mehr“, sagt Klaus Moritz, der seit elf Jahren ehrenamtlich immer dienstags zur Tafelrunde aufbricht. Vor wenigen Monaten noch, „da haben wir lange sortieren müssen, um genug Brauchbares für die Verteilung zusammen zu bekommen.“

Die Tafel kämpft mit saisonalen Schwankungen: Ein langer, kalter Winter bedeutet knappe Ernte und wenig Angebot. Ein anderes Mal stehen die Äpfel bis unters Dach im Wagen gestapelt, „doch davon sind wir im Moment noch weit entfernt“. Klaus Moritz und sein Beifahrer Rainer Wichmann steuern den größten „Lieferanten“ des Tages an, fahren rückwärts an die Rampe, schaffen Platz im Wagen. Bio-Kartoffeln Handelsklasse 1 stehen zum Abtransport bereit. Frische Ware, die Verpackungen unbeschädigt, die Helfer stapeln Kartons mit Milchflaschen und Joghurt im Wagen. „Das“, erklärt Moritz, „ist alles noch nicht abgelaufen“, aber eben kurz vor dem Ablaufdatum.

„Wir wissen ja, was uns erwartet“

Weiter geht es mit Bananenkisten. Obenauf steht Bio-Ware, leichte Druckstellen, „das kommt mit“, befindet Wichmann. Die erste Kiste ist verstaut, über der zweiten schweben Fruchtfliegen, „das hat keinen Zweck mehr da was auszusortieren“, so Wichmann der auf ein Rinnsal weist, das unten aus der Kiste läuft. Ab damit in den Container, in dem schon kistenweise Spargel gelandet ist. Die Helfer sortieren Granatäpfel aus. Zwölf sind in einer Kiste, nur ein bis zwei kann man verwenden.

Ekeln würden sich die Tafel-Herren zwischenzeitlich nicht mehr, „wir wissen ja, was uns erwartet“. Und während der Container mit Unmengen verdorbenen Gemüses bereits überquillt, füllt sich der Transporter langsam. Moritz stellt eine Kiste beiseite, füllt Milch, Joghurt, Salat und Obst hinein, „das liefern wir gleich in einem Jugendzentrum ab“.

Womit wir wieder beim Tafel-Mythos wären. Herrn Moritz nämlich ist es ein Bedürfnis, Bedürftigen zu helfen – Lebensmittel vor der Vernichtung zu retten ist ihm da eher Mittel zum Zweck.