Essen.

Der Rat der Stadt Essen hat zwar den möglichen Steag-Deal der Stadtwerke abgesegnet. Doch Ökonomen sehen erhebliche Risiken für die Steuerzahler. Wirtschaftsforscher Christoph M. Schmidt wirft den beteiligten Städten „Zockerei“ vor.

Mit großer Mehrheit hat der Rat am späten Mittwoch abend in nicht-öffentlicher Sitzung den Essener Stadtwerken erlaubt, den fünftgrößten Stromerzeuger Deutschlands, die Steag, mit seinen 13 Kraftwerken von Evonik mitzuerwerben. Letztendlich sah der Rat in dem Geschäft, das wirtschaftliche Aktivitäten der Stadtwerke in die Stromproduktion hinein erweitert, mehr Chancen als Risiken für die Stadt Essen.

Mitte Dezember soll entschieden werden, ob Steag-Eigentümer Evonik dem Konsortium aus sechs Ruhrgebiets-Stadtwerken den Zuschlag erteilt. Fachleute haben aber erhebliche Bedenken gegen den Deal der Kommunen.

Risiken für die Steuerzahler

Christoph M. Schmidt, der Präsident des Essener RWI-Wirtschaftsforschungsinstituts, warnt vor großen Risiken für die Steuerzahler. „Das ist letztendlich eine Zockerei, die die Essener Bürger teuer zu stehen kommen kann, wenn sie schief geht.“

Der nicht risikoarme hochkomplexe Betrieb von Kohlekraftwerken im In- und Ausland sei keine originäre Aufgabe von Kommunen oder Politikern. „Private Wirtschaftsunternehmen haben wir, weil diese ein sehr effizientes Risiko-Management betreiben. Sie können Risiken schultern, die man der Gesellschaft nicht aufbürden will“, sagte Schmidt im Interview mit der WAZ. Funktioniere das Geschäft nicht, trügen die Kosten die privaten Anleger. Im Gegensatz dazu engagierten sich Politiker beim Steag-Kauf nicht mit ihrem eigenen Geld, sondern sie investierten das Geld der Steuerzahler.

Dies könne man vielleicht noch bei Kommunen nachvollziehen, die Rücklagen und ein solides Polster für Risikogeschäfte gebildet hätten. Beim Steag-Geschäft seien aber allesamt hoch verschuldete Städte beteiligt.

Bund der Steuerzahler zeigt sich skeptisch

Schmidt bezweifelt zudem, dass Ratspolitiker ein solch hoch kompliziertes Geschäft mit Stromerzeugung in der Türkei, in Kolumbien und auf den Philippinen überblicken und steuern können. „Sie muten sich sehr viel zu. Das ist ein Bissen, der sich als zu groß entpuppen kann.“ Wolle man wirklich im Rat über knifflige Fragen entscheiden, wo man stärker investiert oder wie man heikle Projekte retten kann?, fragt der RWI-Chef.

Wenig Hoffnung hat der Ökonom, dass für die Verbraucher durch den neuen kommunalen Stromerzeuger-Verbund im Strommarkt die Energiepreise sinken.

Auch der Bund der Steuerzahler zeigt sich äußerst skeptisch. „Die Städte dürfen Risiken nicht noch vergrößern, sondern müssen sie eigentlich verkleinern“, meint Finanzexperte Heiner Cloesges.