Essen.
Die 82 Kommunalpolitiker im Essener Rat stellen am Mittwoch im nicht-öffentlichen Teil entscheidende energiepolitische Weichen für diese Stadt, deren Tragweite selbst Fachleute nur schwer abschätzen können.
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Weitgehend einstimmig bei Enthaltung der FDP wollen die ehrenamtlich tätigen Ratsleute schon vorab den möglichen Kauf des Kohlekraftwerksbetreiber Evonik-Steag durch die Stadtwerke durchwinken. Denn Mitte Dezember entscheidet der Evonik-Eigentümer, die RAG-Stiftung, wer den Zuschlag für die Mehrheit von 51 Prozent der Anteil an Steag erhalten soll.
Politische Entscheidung
Im Rennen sind derzeit nur noch die tschechische Energie- und Industrieholding EPH und ein Konsortium aus sechs Ruhrgebiets-Stadtwerken. Da die Entscheidung politisch geprägt ist, geht so recht niemand davon aus, dass die Stadtwerke leer ausgehen: Die rot-grüne Landesregierung hofft durch den dann entstehenden größten kommunalen deutschen Energieversorger auf mehr Wettbewerb im Strombereich und den Erhalt der mehrerer tausend Steag-Arbeitsplätze im Inland.
Der Kaufpreis soll bei knapp 650 Millionen Euro liegen, die Essener Stadtwerke müssten bei ihrem Anteil von 15 Prozent am Konsortium über 90 Millionen Euro schultern, die weitgehend über langfristige Kredite zu günstigen Kommunalkonditionen finanziert werden sollen.
Stadtwerke-Chef Bernhard Görgens beteuert, dass die Stadtwerke selbst aber mit ihrem Eigenkapital nur für rund 30 Millionen Euro haften müssten. Glaubt man den Papieren, müsste die Stadt Essen bei einem Desaster des Steag-Geschäfts selbst höchstens 15 Millionen Euro schultern, da die Stadtwerke AG nur noch zu 51 Prozent der Stadt gehört. CDU, EBB und Grüne verlangen, dass dauerhaft das Risiko für die Stadt auf diese Summe beschränkt wird. Bei Verlusten soll kein direkter Rückgriff auf die städtische Kasse möglich werden, verlangt der Ratsantrag.
Auslandsbeteiligungen per Ratsantrag beschränken
Auch bei den Auslandsbeteiligung der Steag, die die Stadtwerke miterwerben, haben etliche Ratsleute ein mulmiges Gefühl im Magen: Ist es wirklich richtig, dass künftig die bodenständigen kommunalen Essener Stadtwerke mit den Steag-Kohlekraftwerken im türkischen Iskenderun, im philippinischen Mindanao und im kolumbianischen Paipa Strom erzeugen?
CDU und EBB wollen deshalb die Auslandsbeteiligungen per Ratsantrag beschränken und die Projekte vom Rat kontrollieren lassen. Nur: Derzeit liefern die Auslandskraftwerke die Top-Renditen für die Steag. In Deutschland betreibt der fünftgrößte heimische Energieerzeuger acht meist veraltete Kraftwerke mit geringem Wirkungsgrad. Ohne die ausländischen Gewinne können die notwendigen Investitionen zur energiepolitischen Wende (weg vom Kohlekraftwerk und hin zu erneuerbaren Energien), wie sie die Grünen wünschen, gar nicht gestemmt werden.
In dieser Logik befürchten nicht wenige Ratsleute eine Eigendynamik nach dem Steag-Kauf: Warum sollen nicht weitere lukrative Kraftwerke im Ausland gebaut werden, wenn diese, und nur diese, so viel Geld bringen? Die Stadtwerke, und damit Essen selbst, würden also echte Global Player im Energiemarkt. Warum dies aber im Interesse der Essener Bürger sein soll, zweifeln einige Ratsleute. Zustimmen werden sie gleichwohl, um keine Chance für die Stadtwerke zu verpassen.