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Sie stürzen sich Abhänge hinunter, jagen über Sprungschanzen und Gräben: Extrem-Radfahrern, in der Szene „dirt-biker“ genannt, haben Wälder als Trainingsgelände entdeckt. Die Stadt ist hilflos - und sucht geeignete Flächen.
Immer mehr Jugendliche, aber auch Erwachsene suchen den besonderen Kick, testen auf kleinen, wendigen Rädern die Grenzen ihrer Körperbeherrschung aus, und nehmen dafür schon mal Knochenbrüche oder ein ausgekugeltes Schultergelenk in Kauf. Im Internet kann, wer will, die spektakulärsten Stunts bewundern.
Bei Norbert Bösken hält sich die Begeisterung in Grenzen. Der Förster beim städtischen Eigenbetrieb Grün und Gruga hat inzwischen nicht weniger als 26 Flächen in Essener Wäldern ausgemacht, auf denen Extrem-Radfahrer ihrem Hobby nachgehen - illegal wohlgemerkt.
Das Phänomen ist für Grün und Gruga nicht neu. Im vergangenen Jahr ließ der Forstbetrieb für mehrere tausend Euro einen künstlichen Parcours abreißen, den Biker in einem für die Öffentlichkeit gesperrten Waldstück an der Heisinger Straße angelegt hatten. Die Mühe war vergebens, nach wenigen Wochen hatten sie neue Schanzen gebaut.
„Extrem-Sportlern etwas anbieten“
„Wir müssen Extrem-Sportlern etwas anbieten“, sagt Bösken. Diese Sicht der Dinge hat sich in der Verwaltung inzwischen durchgesetzt. Den verantwortlichen Stellen bleibt kaum eine andere Wahl. Verbote, so zeige die Erfahrung, lassen sich nicht durchsetzen. Einfach dulden will Grün und Gruga die Biker aber auch nicht. Aus eigenem Interesse. Dem Eigenbetrieb obliegt die Verkehrssicherheitspflicht, die Stadt müsste im Zweifel zahlen, sollte jemand im Wald zu Schaden kommen.
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Auch deshalb befasste sich dieser Tage ein Arbeitskreis aus Sport- und Umweltverwaltung mit dem Thema „Schmutziger Trend, dirtbiken“. Das Ziel: Die Radler sollen aus Naturschutzgebieten und Altholzbeständen, fern gehalten werden. Die Politik soll dafür Flächen benennen, auf denen Extrem-Biker ihr Hobby legal betreiben können. Noch in diesem Jahr soll der Umweltausschuss sich dieser Frage annehmen.
Norbert Bösken bringt das Siepental an der Grenze von Huttrop und Bergerhausen ins Spiel und denkt bereits einen Schritt weiter: „Vereine, oder Eltern könnten Patenschaften übernehmen.“
Was sagen Biker? Die Szene ist bunt, auch das macht für viele ihren Reiz aus. Nur wenige sind in Vereinen organisiert. Der Verwaltung macht es das nicht leichter. Aber: Andere Kommunen haben vorgemacht, wie es gehen kann. „Es gibt viele Städte mit legalen Dirt-Strecken“, sagt Reiner Schleifenbaum von der Radsportabteilung des SV Steele 1911 und nennt als Beispiel Dortmund-Hombruch, wo auf einem ehemaligen Zechengelände schon im Jahr 2003 ein 8000 Quadratmeter großer Bike-Parcours entstand ist.
Hendrik Tafel kennt die Szene. Der 23-jährige Essener ist leidenschaftlicher Dirt-Biker und mit seinem Rad in ganz NRW unterwegs. „Spot“ nennen die Extremsportler eine Fläche, auf der sie ihre Sprünge trainieren. Und wie sollte ein „Spot“ beschaffen sein? Lehmboden sei ein Muss. Denn die Biker legen ihre Sprungschanzen und Gräben selbst an, modellieren das Gelände immer wieder aufs Neue.
„Wenn die Städte so etwas anlegen, dann wollen sie, dass es möglichst ungefährlich ist“, weiß Hendrik Tafel. Der Reiz sei dann leider dahin.
Klingt alles danach, als würde Dirt-Biken auch für Verwaltung und Politik noch zum Balanceakt.