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Die Brieftaubenzüchter geraten unter Druck: Bei manchen Wettflügen kommt nicht einmal die Hälfte aller Vögel an, beklagt die Tierschutzorganisation Peta. Nun müssen sich der Verband auch Vorwürfen aus den eigenen Reihen stellen.

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    Die Brieftaubenzüchter geraten unter Druck. Nach der Kritik durch die radikale Tierschutzorganisation Peta muss sich der in Essen sitzende Verband Deutscher Brieftaubenzüchter nun auch Vorwürfen aus den eigenen Reihen stellen. Ein Tierarzt wehrt sich offen gegen das angeblich skrupellose Vorgehen einiger Züchter.

    Tatsächlich sterben nach Auskunft von Fachleuten während der Flugsaison jedes Wochenende tausende Tauben beim Wettflug zu ihren Heimatschlägen. Bei manchen Wettflügen komme noch nicht einmal die Hälfte aller freigelassenen Tauben in ihrem Heimatschlag an, erzählen Insider der Szene.

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    Von DerWesten

    „Die Auflässe werden nicht optimal durchgeführt“, sagt Dr. Matthias Warzecha, der selbst Verbandsmitglied ist. Er beklagt in einem offenen Brief an den Verband, dass die Tauben oft bei schlechtem Wetter auf die Reise geschickt werden. Das ist für die Tiere fatal: Sie sind zur Orientierung auf Sonne, Gestirne und dem Magnetfeld der Erde angewiesen. Die Vögel verfliegen sich bei schlechtem Wetter, stürzen entkräftet ab. Wer das bewusst in Kauf nehme, verstoße gegen das Tierschutzgesetz, meint der Tierarzt.

    Gewinnprämien von bis zu 50 000 Euro

    Warzecha kritisiert, dass die Tiere oft untrainiert seien und unter Krankheiten litten. Dazu komme der Konkurrenzkampf der Züchter untereinander: „Wenn einer seine Tauben fliegen lässt, lassen alle anderen ihre auch fliegen“, sagt Warzecha. Zusätzlichen Druck auf die Taubenhalter löst die Höhe der Preisgelder aus: Im Internet wirbt so mancher Veranstalter mit Gewinnprämien von bis zu 50 000 Euro. Dazu, so bestätigen Züchter, kommen private Wetten, bei denen es um mehrere tausend Euro geht.

    Besuch bei einem Tierschützer: Bei ihm stranden nach jedem Wettflug in der Region einige Dutzend Tauben. „Ich kann die Tauben über die Ringe genau einem Züchter zuordnen“, sagt er. Wenn er dort anrufe, merke er schnell, ob jemand wirkliches Interesse an den Tieren hat. „Die netten Züchter holen die Taube ab. Die anderen sagen: Hals umdrehen!“

    Andere Szenekenner bestätigen, dass die Auslese bei den Flugreisen bewusst brutal durchgeführt werde. So seien immer mehr Veranstalter darauf aus, den Start der Flüge an Orte jenseits großer Gewässer zu verlegen. „Wenn die schwachen Tiere in den Ärmelkanal stürzen, ist das eine saubere Sache und niemand bekommt etwas mit.“ Nur die Stärksten sollen überleben.

    „Seit Jahrzehnten gibt es einen Trend zu mehr Tauben“, sagt Warzecha. Es sei üblich, bei Flügen nicht mehr nur 20, sondern eher 200 Tauben einzusetzen. Die teils umstrittene Haltung der Tauben in Großställen findet er allerdings in Ordnung. „Es gibt wenige Tiere, denen es so gut geht.“ Warzecha betont zugleich, dass es auch viele verantwortungsvolle Halter gibt. „Ich habe selbst einen Flug durchgeführt. Da gab es kaum Verluste.“

    „Es herrscht teilweise schon fast Krieg zwischen den Züchtern“

    Peta beklagt dagegen auch miese Zuchtbedingungen. Kampagnenleiterin Carola Schmitt: „Zur Brieftaubenzucht gehört rigorose Selektion und die Tötung nicht erwünschter Nestlinge und Jungtauben, welche nicht die Kriterien der Zucht erfüllen.“ Ein Züchter spricht auf Nachfrage von „fliegenden Giftcocktails“. Deshalb lande heute auch kaum noch eine Taube im Kochtopf.

    Die meisten Vorwürfe sind beim Taubenverband bekannt. Präsidiumsmitglied Roland Fitzner hat die „Ist-Situationder brieftaubensportlichen Rahmenbedingungen“ in einem zehnseitigen Schreiben analysiert. Ein Eingeständnis: „Es herrscht teilweise schon fast Krieg zwischen den Züchtern“, schreibt Fitzner. Er fordert die Rückkehr zu mehr Kameradschaft, das Verbot von Doping, mehr Augenmaß bei Wettflügen: „Lebensleistungen von Tauben sollten prämiert werden.“

    Die hohen Verlustraten will der Verband nach außen nicht bestätigen. Auch nicht, dass bei den Flügen bewusst auf Auslese gesetzt werde: „Jeder Züchter möchte, dass die Taube nach Hause kommt“, sagt Christoph Schulte, Redakteur der Zeitschrift „Die Brieftaube“ und Öffentlichkeitsarbeiter. „Es gibt Flüge, die suboptimal laufen“, gibt jedoch auch Schulte zu. „Das ist aber nicht an der Tagesordnung.“

    Schulte spricht von einem großen Umbruch und Umdenken, zu dem der Verband selbst anrege. Gerade deshalb habe man auch Warzechas Briefe in der Verbandszeitschrift veröffentlicht. „Es sind viele wertvolle Gedanken dabei.“ Die Vorwürfe der Tierschutzverbände seien meist nicht nachvollziehbar: Doping sei verboten, Großzüchter eher selten.