Overberge. .
Mit 18 Jahren entdeckte er seine Leidenschaft zum gefiederten Vogel, heute, mit 73, hält Franz Schilk immer noch Ausschau am Himmel, ob nach langer Reise der Gehämmerte vor dem Gescheckten den heimischen Schlag ansteuert. Er ist Brieftaubenzüchter mit Leib und Seele und weiß noch genau, wie es war, als die Tauben zum Preisflug Gummiringe erhielten und Geld gesetzt wurde.
Das ist längst vorbei. Mit dem Ende der Bergbauära geht auch die Geschichte der Brieftaubenzüchter in Bergkamen langsam ihrem Ende entgegen. Früher zählte allein der Stadtteil Rünthe rund 130 Züchter, weitere 200 etwa gehörten dann zur Reisevereinigung Nordberg. Doch die Mitglieder schwinden. Auch Franz Schilk wechselte inzwischen mit einigen anderen Bergkamenern den Bezirk und schickt seine Tauben jetzt gemeinsam mit den Kamener Züchtern. Den Dreck wegkratzen, füttern und morgens und abends die Tauben fliegen lassen, das kostet Zeit und Mühe. Wen es dagegen so richtig gepackt hat, den lässt der Brieftaubensport ein Leben lang nicht los. So wie Franz Schilk, den es von jeher fasziniert, dass die Tauben in der Regel immer wieder zum heimischen Schlag zurück finden. Warum, ist bis heute nicht bis in Detail ergründet.
Und das ist auch gut so: „Sonst wär der Reiz ja weg,“ sagt Schilk, der in den ganze Jahren mit seinen Tauben viele Preise errungen hat und nicht nur einmal RV-Meister war. Denn das ist es ja, was zählt und die Augen echter „Taubenkasper“ zum Leuchten bringen: Wessen Taube schafft es am schnellsten vom Auflassort zurück zum heimischen Schlag, wie wird sie gefüttert, vorher und auch nachher, und arbeitete der stolze Taubenvater mit oder ohne „Zeigen“? Denn nach dem Motto „Nur gucken, nicht anfassen“ gehen beispielsweise bei der klassischen „Witwerschaft“ nur die Vögel auf die Reise. Sie erhalten, bevor sie in den Einsatzkorb gesteckt werden, zuvor die Weibchen kurz zu Gesicht und strengen sich — je nachdem, wie groß die Liebe ist – mächtig an, um möglichst schnell wieder nach Hause zu finden.
Lange Winterabende können Brieftaubenzüchter damit verbringen, das Für und Wider dieses Zeigens zu diskutieren. Welches Futter macht aber den Scheck oder den Gehämmerten zum Tagessieger? Darüber bewahren die Züchter Stillschweigen. Das ist Chefsache, und wenn es nur eine Vitamin-C-Tablette ist, die beigemischt wird.
Heute wird digital erfasst, wenn Nr. 296 vor dem 307 eintrudelt, Antennen auf dem Ausflug speichern penibel die Zeit. Früher mussten sich mehrere Züchter eine Taubenuhr teilen: Wer am schnellsten durch die Nachbarschaft sprintete, konnte den Gummiring auf die Hülse und dann in die Uhr stecken. Vorausgesetzt, „Hänschen“ folgte zuvor dem Kommando „Komm“ und dem blechernen Gerappel der Futterdose und ließ sich fangen.
Mit Rückenwind fliegt eine Brieftaube bis zu 100 Stundenkilometer, dabei legt sie mitunter viele hundert Kilometer r zurück. „Todesflüge“ werden manche Einsätze genannt, Skagen war bei den Bergkamener lange Zeit als Auflassort gefürchtet, je nach Wetterbedingungen gingen bei solchen Flügen viele Tiere verloren. Da kam es durchaus schon mal vor, dass der ein Züchter auf der Gartenliege übernachtete, um ja keine Taube zu verpassen.
50 Brieftauben flattern heute durch den Schlag von Franz Schilk, im Frühjahr sind es ein paar mehr, klar, dann sind die Jungen gerade geschlüpft. Einen besonderen Liebling hat er auch, „nur Namen haben meine Tauben nicht.“ Die hat früher mal seine Tochter verteilt, „Pino“ war ihr Liebling. Ansonsten drehen der Scheck, der Fahle, der Blaue und der Rote – je nach Gefieder - ihre täglichen Runden am Overberger Himmel und warten auf den nächsten Einsatz.